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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 57.1941-1942

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Christoffel, Ulrich: Aus der Großen Deutschen Kunstausstellung München 1941, [1]: Gebärde und Gestalt in der Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.16490#0020

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plastischer Humor, eine graziöse Be-
wegtheit, die dem Element des Wassers
entspricht. Dieser Ton der Kühle ist
auch im Material, der Goldbronze, fest-
gehalten, die das Licht reflektiert. Die
Figur ist für eine Rückwand bestimmt,
und ihre bewegte Linie, in schönen
Rundungen spielend, zeichnet sich
wirksam vor dem Hintergrund ab.
Trotzdem ist die Figur plastisch räum-
lich empfunden und durchgeführt. Die
Formerfindung befreit die Gestalt von
den Fesseln des Dekorativen, obwohl
die Gestalt vollendet dekorativ wirkt.
In dem bayerischen Bildhauer hat sich
der natürliche Sinn seiner barocken
Ahnen für den Zusammenklang aller
linearen und räumlichen T\ erte erhal-
ten. So ist seine Brunnenn aj ade, ein
Natur wesen aus dem Bereich der
Wasserwelt und wiederum ein rein
plastischer Gedanke, zum Augenblick
der Bewegtheit verdichtet.
Georg Kolbe ist heute der Meister unter
den deutschen Bildhauern. Er erfaßt das
Leben im Ton und Licht der Bronze,
die eine sonore sinnliche Material-
schönheit besitzt. Die Bronze gehört
zum Wesentlichen seiner Formgebung,
die von der Energie und dem Geist
seiner Hände erzeugt wird. Kolbe nennt
seine Jünglingsgestalt „Herabsclireiten-
der". Das Motiv ist ungewöhnlich, in-
dem darin das Gegenteil jeder plasti-
schen Ausfallstellung gegeben ist. Der
Jüngling tritt nicht hervor, sondern
herab, er kommt aus dem Raum und
macht vor der Fläche halt. Das linke
Bein steht gespannt auf der Erde, wäh-
rend das gekrümmte rechte sich noch
auf einer rückwärtigen Stufe hält. Die
Gestalt schreitet herab, indem sie sich
dynamisch aufrichtet. Dieser Gegen-
satz der fließenden Bewegung im Auf
und Nieder ist wunderbar plastisch

zur Geltung gebracht. Die Arme lösen
Ernst Laurenty. Die Landmaid sich in der Schulter vom Rumpf un(j

Große Deutsche Kunstausstellung München 1941 hängen lässig herunter. Die Muskeln

haben keine lineare Bedeutung für die
Zeichnung des Körpers, sondern sind die
reizvolles plastisches Motiv erfunden. Auf einem Träger der Bewegung. Die Säule des Bildes ist zu einer
Naturfels ruht ein Delphin mit aufgerichtetem schlichten Mitte gesammelt, aber ihre Schwere ist über-
Schwanz. Eine Najade sitzt auf dem geschwungenen wunden durch das schwebende Gleichgewicht derFor-
Fischleib und stützt sich mit dem rechten Fuß auf men. Die Form entsteht gleichsam vor unsern Augen,
den Fels und mit dem linken auf den Kopf des Del- aber sie enthält schon die Vollendung, Die Gestalt er-
phins. Die Beine weichen somit nach rechts aus,währ füllt den Baum,in dem sie frei steht, mit strahlenden
rend sich der Kopf nach links wendet. Der Blick folgt Energien, aber sie wird kaum beachtet, weil ihre Ge-
der ausgestreckten Hand, als ob die Najade im Was- bärde organisch umgewandelt ist in lebende Formung,
serspiegel einen Gefährten erblickte. Mit großemGe- Kann man Plastik ansehen wie ein Bild? Viele Bild-
schick ist eine Draperie um den Körper gelegt, die hauer können sich von der Vorstellung des Flächenbil-
von der erhobenen Rechten an der Schulter gehalten, des nicht trennen. Im Relief ist diese Auffassung be-
den Leib und den Schenkel umwindet und den Del- rechtigt. Aber Kolbe hat jede Relieferinnerung ausge-
phin umrahmt. Dieser trägt das Ende im breiten
Maul. In der ganzen Erfindung steckt ein gewisser erscheinen.

Foto Jaeger Gf Goergen, München

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