Arnold Böckl III. Fortsetzung von S. 64
gegeistigten ..Göttern" des späten Olymps entstam-
men die Dämonen weit überwiegend dem poseidoni-
schen Element, und im Gegensatz zur nur mensch-
lichen Schönheit jener „Götter" zeugen sie mit ihren
menschlichen Halbleibern nicht etwa von Verpersön-
lichung der Natur, sondern von Wiederhineinnahme
sogar noch des Menschen in das fluidale Geschehen.
Sehen wir jetzt einen Augenblick dem Wasser selber
zu. so leuchtet uns sogleich wohl noch eine Wahrheit
auf: die Wasserseele im Bilde bannen, heißt, die Was-
er scheinung mit einer Deutlichkeit und Voll-
kommenheit vergegenwärtigen, wie es der genauesten
Beobachtung des Wasserdingrs nimmer gelänge; und
weil jene Seele die Seele der Materie ist, so ist ihre
Erscheinung die Erscheinung einer Substanz. Nicht
das also hat Böcklin gemalt, was dem Impressionis-
mus „Erscheinung" hieße und was für gewöhnlich
bloßer Augenschein ist. sondern die Erscheinung der
Seele des Stoffes. Darum ist sein Meer nichts weniger
als Meeresoberfläche; darum wird unser Blick in die
Wassertiefe gezogen, und wir gewahren mit Staunen.
daß von innen die Woge schwillt und sich hebt, mag
auch der Wind, ihr Buhle, sie wecken; wir sehen ihre
Haut, wankend und beweglich wie sie, geschmückt
mit Schaumgeschmeiden und silbernen Kämmen; wir
ahnen im geoffenbarten Geheimnis der Durchsichtig-
keit auch des Stoffes den Grund des Zusammenhanges
der Hyle mit dem Äther; wir fangen an zu verstehen,
daß in der Welt der Materie um alle Nacktheit der
Schleier webt, der, ohne verbergen zu müssen, be-
wahrt: der Schleier der wandelnden, weil sich wan-
delnden, Feuchte (er bildet den Zauber griechischer
Reliefkunst); und wir haben mit alledem im Bilde der
nahen und nahenden Woge, deren Stampfen wir zu
hören, deren Andrang wir zu spüren, deren salzige
Kühle wir zu schmecken meinen, das eigentlichste,
das elementare Wasser des Lebens erschaut. — Doch
genug von einem viel gelästerten, viel gepriesenen
Meister, der, wie uns noch nicht genügend gewürdigt
scheint, ein „Wissender" wurde, weil ihm beschieden
war, Zwiesprache mit Dämonen zu pflegen.
Wettbewerb „Die Jugend unter dem Liktorenbündel". Premio Cremona
In den Räumen des Kunslvereins Hannover wird zum zwei-
ten Mal für Deutschland der Premio Cremona gezeigt,
jene von Minister Farinacci vor zwei Jahren ins Leben geru-
fene regelmäßige Repräsentation italienischer Gegenwarts-
kunst, die durch ein auch diesmal präzisiertes Thema: ..Die
Jugend unter dem Liktorenbündel" aktiv an der
Erkenntnis und zugleich an der Formung des Willens der
Nation beteiligt wird. Uns ist die Direktheit solcher Zielset-
zung in der bildenden Kunst noch unbekannt, und wir ste-
hen aufs neue betroffen vor diesen Werken, die auch in die-
sem Jahr zeigen, mit welch offensichtlicher Zustimmung und
Begeisterung die Maler ihre Begabung in den Dienst des
korporativ geeinten Volkes stellen. Ein Gesamtbild der
faschistischen Jugend erscheint da vor uns. reich an Einzel-
zügen, an charakteristischen Momenten, aktuell und doch
weit aus der Zeit in die Zukunft weisend, weil es Prinzipien
erkennen lassen will, die bedeutende Gültigkeit beanspru-
chen. Das Thema war also als Ausschnitt gedacht und hat
trotzdem die Weite eines Einblickes in ein großes Stück pri-
vaten und öffentlichen Lebens ergeben. Die Maler sind kaum
der stofflichen Ausschweifung verfallen, haben sich meist
aufs äußerste konzentriert, um aus dem Realistischen des
Vorwurfs die Größe der Erfindung zu gewinnen. Es ist be-
zeichnend, daß man sich angesichts des höher als im Vorjahr
liegenden künstlerischen Durchschnittes zu einerTeilungund
damit zu einer Vermehrung der Preise entschloß. Der erste
Preis wurde gedrittelt, der zweite und dritte blieben bestehen,
der vierte wurde in vier Preise zerlegt. An der Spitze steht
ein u. W. unbekannter Maler: Gian Giacomo Dal
Forno mit einem stark symbolistischen, in feierlicher Hal-
tung verharrenden Bilde von Kindergruppen, die freskenar-
tig im Stil der Frührenaissancemehrüber-alshintereinander-
geschichtet stehen. Dann folgt ein Vertreter der stärksten
Aktivität im Bildgeschehen, Luciano Ricchetti
11. Preisträger des 1. Wettbewerbes! mit einem Bilde, das die
Übergabe der Waffe von einem Veteranen an die junge Ge-
neration in äußerster Zusammenfassung der Komposition
bringt. Der dritte, Cesare Maggi, zeigt in einem Tripty-
chon die Jugend in idealisierender Auffassung mit einer Ma-
lerei von glühender Leuchtkraft. Der Träger des 2. Preises.
Pietro Gaudenzi, im Vorjahre der Inhaber des 1. Preises,
bat wieder ein Triptychon von mystischer Verklärung des dar-
gestellten Vorganges: Die Weihe der Jugend durch die Mut-
ter gemalt. Ein ähnlich strenges, vom Geist des Trecento
beeinflußtes Bild lieferte der Maler des 3. Preises, Contardo
B a r b i e r i. Unter den vierten Preisen fallen ein sinnlich fri-
sches Bild der Familie von Biagio Mercadante, ein in
beinahe deutsch-realistischer Tonmalerei gehaltenes Figuren-
bild von Italo Mus und eine äußerst bewegte Darstellung
marschierender Freiwilliger von Dina Bellotti auf.
Überblickt man die Preisverteilung im ganzen, so ergibt sich
deutlich die Auszeichnung recht verschiedener Auffassungen -
die einer durch Verinnerlichung zu den geistig-seelischen
Gründen des Lebens vordringen wollenden Malerei und
andererseits diejenige eines sinnlichen Elans, der mit Ener-
gie die Realität faßt und bildet. Die Berücksichtigung ver
schiedenster Stilrichtungen. besonders die einer nachimpres-
sionistischen mit einer vehementen Pinselführung iXeno
M o r i oder C ar 1 o D e g I i Albertini), fällt auch in die-
sem Jahre auf.
Bei der Eröffnung der Ausstellung in Hannover, die in fest-
lichem Rahmen bei Anwesenheit einer von Minister Fari-
nacci geführten italienischen Delegation stattfand, verkün-
dete Gauleiter und Oberpräsident H. Lauterbacher die Stif-
tung des „Preises von H ann o v er". An ihm sollen sich
alle deutschen Künstler beteiligen können. Das erste Thema
wird nach Kriegsende bekanntgegeben. Die Werke dieses
deutschen Wettbewerbes, der sich auf Malerei und Plastik
erstrecken wird, sollen für Deutschland zuerst in Hannover,
für Italien zuerst in Cremona gezeigt werden. Dieter Körber.
70
gegeistigten ..Göttern" des späten Olymps entstam-
men die Dämonen weit überwiegend dem poseidoni-
schen Element, und im Gegensatz zur nur mensch-
lichen Schönheit jener „Götter" zeugen sie mit ihren
menschlichen Halbleibern nicht etwa von Verpersön-
lichung der Natur, sondern von Wiederhineinnahme
sogar noch des Menschen in das fluidale Geschehen.
Sehen wir jetzt einen Augenblick dem Wasser selber
zu. so leuchtet uns sogleich wohl noch eine Wahrheit
auf: die Wasserseele im Bilde bannen, heißt, die Was-
er scheinung mit einer Deutlichkeit und Voll-
kommenheit vergegenwärtigen, wie es der genauesten
Beobachtung des Wasserdingrs nimmer gelänge; und
weil jene Seele die Seele der Materie ist, so ist ihre
Erscheinung die Erscheinung einer Substanz. Nicht
das also hat Böcklin gemalt, was dem Impressionis-
mus „Erscheinung" hieße und was für gewöhnlich
bloßer Augenschein ist. sondern die Erscheinung der
Seele des Stoffes. Darum ist sein Meer nichts weniger
als Meeresoberfläche; darum wird unser Blick in die
Wassertiefe gezogen, und wir gewahren mit Staunen.
daß von innen die Woge schwillt und sich hebt, mag
auch der Wind, ihr Buhle, sie wecken; wir sehen ihre
Haut, wankend und beweglich wie sie, geschmückt
mit Schaumgeschmeiden und silbernen Kämmen; wir
ahnen im geoffenbarten Geheimnis der Durchsichtig-
keit auch des Stoffes den Grund des Zusammenhanges
der Hyle mit dem Äther; wir fangen an zu verstehen,
daß in der Welt der Materie um alle Nacktheit der
Schleier webt, der, ohne verbergen zu müssen, be-
wahrt: der Schleier der wandelnden, weil sich wan-
delnden, Feuchte (er bildet den Zauber griechischer
Reliefkunst); und wir haben mit alledem im Bilde der
nahen und nahenden Woge, deren Stampfen wir zu
hören, deren Andrang wir zu spüren, deren salzige
Kühle wir zu schmecken meinen, das eigentlichste,
das elementare Wasser des Lebens erschaut. — Doch
genug von einem viel gelästerten, viel gepriesenen
Meister, der, wie uns noch nicht genügend gewürdigt
scheint, ein „Wissender" wurde, weil ihm beschieden
war, Zwiesprache mit Dämonen zu pflegen.
Wettbewerb „Die Jugend unter dem Liktorenbündel". Premio Cremona
In den Räumen des Kunslvereins Hannover wird zum zwei-
ten Mal für Deutschland der Premio Cremona gezeigt,
jene von Minister Farinacci vor zwei Jahren ins Leben geru-
fene regelmäßige Repräsentation italienischer Gegenwarts-
kunst, die durch ein auch diesmal präzisiertes Thema: ..Die
Jugend unter dem Liktorenbündel" aktiv an der
Erkenntnis und zugleich an der Formung des Willens der
Nation beteiligt wird. Uns ist die Direktheit solcher Zielset-
zung in der bildenden Kunst noch unbekannt, und wir ste-
hen aufs neue betroffen vor diesen Werken, die auch in die-
sem Jahr zeigen, mit welch offensichtlicher Zustimmung und
Begeisterung die Maler ihre Begabung in den Dienst des
korporativ geeinten Volkes stellen. Ein Gesamtbild der
faschistischen Jugend erscheint da vor uns. reich an Einzel-
zügen, an charakteristischen Momenten, aktuell und doch
weit aus der Zeit in die Zukunft weisend, weil es Prinzipien
erkennen lassen will, die bedeutende Gültigkeit beanspru-
chen. Das Thema war also als Ausschnitt gedacht und hat
trotzdem die Weite eines Einblickes in ein großes Stück pri-
vaten und öffentlichen Lebens ergeben. Die Maler sind kaum
der stofflichen Ausschweifung verfallen, haben sich meist
aufs äußerste konzentriert, um aus dem Realistischen des
Vorwurfs die Größe der Erfindung zu gewinnen. Es ist be-
zeichnend, daß man sich angesichts des höher als im Vorjahr
liegenden künstlerischen Durchschnittes zu einerTeilungund
damit zu einer Vermehrung der Preise entschloß. Der erste
Preis wurde gedrittelt, der zweite und dritte blieben bestehen,
der vierte wurde in vier Preise zerlegt. An der Spitze steht
ein u. W. unbekannter Maler: Gian Giacomo Dal
Forno mit einem stark symbolistischen, in feierlicher Hal-
tung verharrenden Bilde von Kindergruppen, die freskenar-
tig im Stil der Frührenaissancemehrüber-alshintereinander-
geschichtet stehen. Dann folgt ein Vertreter der stärksten
Aktivität im Bildgeschehen, Luciano Ricchetti
11. Preisträger des 1. Wettbewerbes! mit einem Bilde, das die
Übergabe der Waffe von einem Veteranen an die junge Ge-
neration in äußerster Zusammenfassung der Komposition
bringt. Der dritte, Cesare Maggi, zeigt in einem Tripty-
chon die Jugend in idealisierender Auffassung mit einer Ma-
lerei von glühender Leuchtkraft. Der Träger des 2. Preises.
Pietro Gaudenzi, im Vorjahre der Inhaber des 1. Preises,
bat wieder ein Triptychon von mystischer Verklärung des dar-
gestellten Vorganges: Die Weihe der Jugend durch die Mut-
ter gemalt. Ein ähnlich strenges, vom Geist des Trecento
beeinflußtes Bild lieferte der Maler des 3. Preises, Contardo
B a r b i e r i. Unter den vierten Preisen fallen ein sinnlich fri-
sches Bild der Familie von Biagio Mercadante, ein in
beinahe deutsch-realistischer Tonmalerei gehaltenes Figuren-
bild von Italo Mus und eine äußerst bewegte Darstellung
marschierender Freiwilliger von Dina Bellotti auf.
Überblickt man die Preisverteilung im ganzen, so ergibt sich
deutlich die Auszeichnung recht verschiedener Auffassungen -
die einer durch Verinnerlichung zu den geistig-seelischen
Gründen des Lebens vordringen wollenden Malerei und
andererseits diejenige eines sinnlichen Elans, der mit Ener-
gie die Realität faßt und bildet. Die Berücksichtigung ver
schiedenster Stilrichtungen. besonders die einer nachimpres-
sionistischen mit einer vehementen Pinselführung iXeno
M o r i oder C ar 1 o D e g I i Albertini), fällt auch in die-
sem Jahre auf.
Bei der Eröffnung der Ausstellung in Hannover, die in fest-
lichem Rahmen bei Anwesenheit einer von Minister Fari-
nacci geführten italienischen Delegation stattfand, verkün-
dete Gauleiter und Oberpräsident H. Lauterbacher die Stif-
tung des „Preises von H ann o v er". An ihm sollen sich
alle deutschen Künstler beteiligen können. Das erste Thema
wird nach Kriegsende bekanntgegeben. Die Werke dieses
deutschen Wettbewerbes, der sich auf Malerei und Plastik
erstrecken wird, sollen für Deutschland zuerst in Hannover,
für Italien zuerst in Cremona gezeigt werden. Dieter Körber.
70