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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 57.1941-1942

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Christoffel, Ulrich: Angelika Kauffmann: zu ihrem 200. Geburtstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.16490#0131

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Angelika Kauffmann. Familienbild

Liechtenstein-Galerie, Wien

In Rom bildete die Freundschaft mit Goethe und
Herder das Glück ihrer besten Jahre. Schon am
1. November 1786 wurde Goethe, kaum in Rom an-
gelangt, durch Tischbein bei Angelika Kauffmann
eingeführt. Sie half ihm bald beim Zeichnen, und er
bewunderte „ihr unglaubliches und als Weib wirk-
lich ungeheures Talent". Als er aus Sizilien zurück-
kehrte, aß er fast jeden Sonntag bei ihr, und vorher
besuchten sie meist eine Galerie. Angelika malte da-
mals das Bildnis Goethes, aber er war enttäuscht, da
sie nur das Tassohafte in ihm sah, das ihrer Emp-
findung entgegenkam. Goethe las in der Wohnung
der Angelika die neubearbeitete „Iphigenie"1 vor und
berichtete darüber, daß „die zarte Seele der Angelika
das Stück mit unglaublicher Innigkeit aufgenommen
habe". Sie begann dabei die Szene aufzuzeichnen,
„wie Orest in der Nähe der Schwester und des Freun-
des sich wiederfindet".

Auch Herder, der im Gefolge der Herzogin Amalie
von Weimar 1787 nach Rom kam, wurde am ersten
Tag zu Angelika geführt. Bald verklärte ihm die
Freundschaft für Angelika den römischen Aufent-
halt. Beide fühlten sich in ihren menschlichen inner-
lichen Gaben durch die äußeren Fesseln ihres Be-

rufes bedrückt. Herder, dem sich Angelika freier als
Goethe gegenüber mitteilte, bedauerte tief, „daß die
fatale Kunst sie habe auf ihrem Stamm vertrocknen
lassen". Er fühlte sich von ihrer Grazie und Zart-
heit „gereinigt und veredelt" und konnte in den
Briefen an seine Frau „die tief verborgene Perle"
nicht warm genug rühmen. Auch für die Malerin
war die Begegnung mit dem hochstehenden Herder
ein Erlebnis, das sie beglückte, da sie in ihrem Leben
zwar viel Verehrung erfahren, aber nur wenige Men-
schen gefunden hatte, denen sie sich enger anschlie-
ßen konnte. Die meisten Bilder der Angelika sind
auf den schmerzlich schönen, zart klagenden Ton der
Wertherzeit gestimmt.

Mit den Ereignissen von Paris begann eine neue
stürmische Zeit, die Angelika nicht mehr verstehen
konnte. Auch die neue strenge Linienkunst der David
und Carstens mußte sie erschrecken. Aber ihr An-
sehen und ihr Ruhm standen unverändert in schö-
nem Glanz, und als die Malerin am S.November 1807
einem Brustleiden erlag, bereiteten ihr die Künstler
eine große Trauerfeier. Der Bildhauer Canova, ihr
Biograph Pvossi und der Franzose Thiers trugen den
Sarg. Auch die Nachwelt hat sie nicht vergessen.

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