Zur Frage der Stilbildung — drei Köpfe um 1480
Die drei Köpfe von Pacher, Mazzoni und Benedetto
da Majano sind in dem Jahrzehnt zwischen 1470 und
1480 geschaffen worden. An ihnen, die sich zeitlich
so nahe stehen, kann etwas anschaulich werden von
grundsätzlichen Fragen der Stilbildung.
Stellen wir zuerst die Köpfe Pachers und Majanos
einander gegenüber — und behalten wir dabei aucli
im Auge, welchem größeren Zusammenhang jeder
zugehört: der italienische Kopf einer als Bruststück
abgeschlossenen Marmorbüste, der deutsche Kopf
einer holzgeschnitzten Schreinfigur des großen Alta-
res von St. Wolfgang.
Die statuarische Ruhe der italienischen Büste ist von
Wölffliii gekennzeichnet mit den Worten: „Wesent-
lich ist, wie das Gesamtbild in eine feste Silhouette
eingespannt ist und wie jede Sonderform — Mund,
Augen, die einzelnen Runzeln — ihre völlig sichere,
unbewegte, auf den Eindruck des Bleibenden gebaute
Erscheinung bekommen hat." Demgegenüber zeigt
der Kopf Pachers die strömende Bewegtheit spätgoti-
scher Form, die den ganzen Altar aufwühlt, in dem
die Figur steht. Es sind die Triebkräfte blutmäßig
verschiedener Anlagen, die zu verschiedenem Aus-
druck im Kunstwerk drängen. Aus diesen seelischen
Wurzeln der Stilbildung erwachsen diesseits und jen-
seits der Alpen Stile von sehr verschiedenem Cha-
rakter.
Aber durch diese Unterschiede wirkt ein Anderes, ein
Gemeinsames hindurch: die Tatsache, daß diese ver-
schiedenen Charaktere sich überhaupt als Stil dar-
stellen, nicht als „Lebens-Stoff". Diese Tatsache weist
auf eine andere, eine gemeinsame Wurzel der Stile,
die im Geistigen liegt. Wir brauchen die beiden Kopie
nur in Gedanken von Werken des italienischen und
des nordischen Barock abzuheben, um inne zu
werden, daß ein geistiges Gesetz der Wandlung und
Entfaltung in der Stilbildung über die Stammesgren-
zen hinüberwirkt und die nördliche wie die südliche
Kunst gleichermaßen bewegt.
Aber dieses Gemeinsame im Verschiedenen wird auch
unmittelbar sichtbar, wenn wir auf den gleichzeiti-
gen Kopf Mazzonis blicken. Wir sehen dann, daß
dieser Kopf zwischen den beiden anderen „heraus-
fällt". Nicht weil er einen „anderen Stil" verkörpert,
sondern weil er bis zu einem gewissen Grad stillos
ist. Man könnte an die Stelle von Pacher und Majano
auch gute durchschnittliche Werke kleinerer Meister
der Zeit setzen. Auch zwischen ihnen würde der
Kopf Mazzonis sich nicht halten. Man könnte des-
halb sagen, er „falle aus dem Musischen heraus".
Wenn wir nun im einzelnen etwa das Relief der
Augen und der Augenbögen bei Majano betrachten,
so sehen wir eine wundervoll geschlossene Modellie-
rung. Ganz anders, von innen bewegt erscheint der Kopf
270
Die drei Köpfe von Pacher, Mazzoni und Benedetto
da Majano sind in dem Jahrzehnt zwischen 1470 und
1480 geschaffen worden. An ihnen, die sich zeitlich
so nahe stehen, kann etwas anschaulich werden von
grundsätzlichen Fragen der Stilbildung.
Stellen wir zuerst die Köpfe Pachers und Majanos
einander gegenüber — und behalten wir dabei aucli
im Auge, welchem größeren Zusammenhang jeder
zugehört: der italienische Kopf einer als Bruststück
abgeschlossenen Marmorbüste, der deutsche Kopf
einer holzgeschnitzten Schreinfigur des großen Alta-
res von St. Wolfgang.
Die statuarische Ruhe der italienischen Büste ist von
Wölffliii gekennzeichnet mit den Worten: „Wesent-
lich ist, wie das Gesamtbild in eine feste Silhouette
eingespannt ist und wie jede Sonderform — Mund,
Augen, die einzelnen Runzeln — ihre völlig sichere,
unbewegte, auf den Eindruck des Bleibenden gebaute
Erscheinung bekommen hat." Demgegenüber zeigt
der Kopf Pachers die strömende Bewegtheit spätgoti-
scher Form, die den ganzen Altar aufwühlt, in dem
die Figur steht. Es sind die Triebkräfte blutmäßig
verschiedener Anlagen, die zu verschiedenem Aus-
druck im Kunstwerk drängen. Aus diesen seelischen
Wurzeln der Stilbildung erwachsen diesseits und jen-
seits der Alpen Stile von sehr verschiedenem Cha-
rakter.
Aber durch diese Unterschiede wirkt ein Anderes, ein
Gemeinsames hindurch: die Tatsache, daß diese ver-
schiedenen Charaktere sich überhaupt als Stil dar-
stellen, nicht als „Lebens-Stoff". Diese Tatsache weist
auf eine andere, eine gemeinsame Wurzel der Stile,
die im Geistigen liegt. Wir brauchen die beiden Kopie
nur in Gedanken von Werken des italienischen und
des nordischen Barock abzuheben, um inne zu
werden, daß ein geistiges Gesetz der Wandlung und
Entfaltung in der Stilbildung über die Stammesgren-
zen hinüberwirkt und die nördliche wie die südliche
Kunst gleichermaßen bewegt.
Aber dieses Gemeinsame im Verschiedenen wird auch
unmittelbar sichtbar, wenn wir auf den gleichzeiti-
gen Kopf Mazzonis blicken. Wir sehen dann, daß
dieser Kopf zwischen den beiden anderen „heraus-
fällt". Nicht weil er einen „anderen Stil" verkörpert,
sondern weil er bis zu einem gewissen Grad stillos
ist. Man könnte an die Stelle von Pacher und Majano
auch gute durchschnittliche Werke kleinerer Meister
der Zeit setzen. Auch zwischen ihnen würde der
Kopf Mazzonis sich nicht halten. Man könnte des-
halb sagen, er „falle aus dem Musischen heraus".
Wenn wir nun im einzelnen etwa das Relief der
Augen und der Augenbögen bei Majano betrachten,
so sehen wir eine wundervoll geschlossene Modellie-
rung. Ganz anders, von innen bewegt erscheint der Kopf
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