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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 57.1941-1942

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Kornmann, Erich: Zu Lottos Vermählung der hl. Katharina
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Hellwag, Fritz: Paul Paeschkes Pastell-Landschaften
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https://doi.org/10.11588/diglit.16490#0160

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Zu Lottos Vermählung der hl. Katharina

Es gibt in der Geschichte der Kunst immer wieder
Einzelgänger, die sich nicht einer bestimmten Schule
einordnen lassen, weil die Originalität ihrer Persön-
lichkeit Züge ausbildet, die über den Rahmen eines
Schul-Stiles hinausreichen. Ein solcher Einzelgänger
ist Lorenzo Lotto in der venezianischen Malerei. Er
ist ein Altersgenosse Giorgiones, Tizians und Palmas,
er fußt wie jene auf der Kunst Giovanni Bellinis;
aber sein Stil durchbricht die Überlieferung der vene-
zianischen Malerei seiner Zeit.

Unser Bild ist ein Frühwerk; aber es zeigt schon die
Eigenarten dieses eigenwilligen „Sonderlings". Die
Bilder der venezianischen Benaissance sind gekenn-
zeichnet durch einen Zug, den man „statuarisch"
nennen könnte. Er findet sich in diesem Bilde am
stärksten ausgeprägt in der Figur der Katharina, in
dem klaren plastischen Kopf, in den großgeformten
Händen. Aber wo würde bei einem klassischen Vene-
zianer diese statuenhafte Figur sich so stark in die
Diagonale legen: und wo würde die Begleitfigur des
Heiligen sich wieder in diese Richtung stellen und
dem Aufbau der Mittelpyramide in einem so hefti-
gen, so jähen Richtungsgegensatz entgegentreten? So
ist der Stil Lottos in allem gemischt aus einer Renais-

sance-Empfindung und aus einer flackernden Be-
wegtheit, die manche Züge späterer Kunst vorweg-
nimmt. So zeigt auch unser Bild die kompositorische
Haltung der Renaissance durchbrochen durch eine
wie zuckende Bewegung: Man sehe auf der farbigen
Tafel, wie rechts hinter dem Kopf der Maria der
Saum des Mantels plötzlich aufleuchtet wie von einem
geheimnisvollen Lichtstrahl getroffen; und man
übersehe nicht den beinahe bizarren Zug, wie das
antikisch-großgeformte Profil der Katharina von den
starren Linien der schwarzen Bändchen überspielt
wird.

Im Kopf der Maria, den die Farbentafel original-
groß wiedergibt, finden wir alle Züge des Lottoschen
Stiles vereinigt: die große statuarische Form der Re-
naissance ist wie von innen her aufgelockert; und ein
Maler von einer besonderen Empfindsamkeit für far-
bige Reize weiß die Schatten farbig so zu durchlich-
ten, daß wir aus dem Kopf allein auf ein Bild späte-
rer Zeit schließen würden. Das flackernde Maler-
temperament des Künstlers hebt ihn heraus aus dem
Stil der klassischen Zeit und gibt ihm das geheimnis-
volle Leben einer Persönlichkeit von einzigartigem
und eigenwilligem Charakter. E.Kornmann

Paul Paeschkes Pastell-Landschaften. Von Fritz Hellwag

Ludwig Richter hat einmal gesagt: „Der Geist muß
sich die Technik bilden, oder vielmehr, die Technik
muß sich nach und nach aus dem Geist bilden und
ihm entspringen."

Da ich dabei gewesen bin, als PaulPaeschke begann,
sich seine jetzt zur Meisterschaft entwickelte Pastell-
technik zu bilden, darf ich aus jener Zeit ein kleines
Erlebnis erzählen. Es war im Frühjahr 1917 in einem
kleinen, schön gelegenen Dorf in Xordfrankreich. Die
neu zusammengesetzte Mannschaft war angetreten
und hörte bei „Rührt euch" die Ansprache des Majors,
der sich aber plötzlich unterbrach, seinen Krückstock,
mit dem er so gern den Alten Fritz mimte, erhob und
auf den Flügelmann im zweiten Gliede wies: „Der
Sezessionsmaler soll es sich merken: das Abkonter-
feien von Vorgesetzten ist verboten!" Worauf schnell
ein Notizblock in der Tasche eines feldgrauen Land-
stürmers verschwand und einige Stifte, mit denen er
das „Original" wohl hatte farbig beleben wollen, zur
Erde fielen. So lernte ich Paeschke kennen. Am
Abend standen wir auf einem benachbarten Hügel
und sahen einen wunderbaren Sonnenuntergang hin-
ter der weitgedehnten Ebene: der rote Ball versank
langsam in einem Xebelstreif, in dem von Arras her
Geschützfeuer wetterleuchtete, aber über der sonst
klaren Landschaft lag noch vielartige P'arbigkeit in
breiten Flächen und hervorleuchtenden Einzelheiten,
darüber ein gewaltiger Himmel von besonders gro-
ßer Weiträumigeit. „Das male ich", sagte Paeschke.

worauf ich ihn nur fragend ansah. Aber er deutete
auf ein kleines Zigarillo-Schächtelchen, das er aus
der Tasche zog und in dem eine Handvoll kleiner
Pastellstifte lag. Die Not lehrte ihn, sich eine neue
Technik zu erwerben, und schon bei Kriegsende be-
herrschte er sie ganz nach seinem Geiste. Dieses
kleine Schächtelchen begleitete den Künstler auch
später ganz allein auf seinen Reisen in „leuchtende"
Gegenden des Südens, nach Spanien, Jugoslawien und
Griechenland, und überall entstanden solche weiträu-
mige Bilder, für die vielleicht mancher Laie gerade
die Pastelltechnik so ungeeignet halten möchte, weil
er an fast getiftelte „Miniaturen" zu denken sich ge-
wöhnt hat, wenn von Pastell die Rede ist.
Aber das ist ein Irrtum, nichts spricht dafür, daß
Pastell so kleinlich gehandhabt werden müsse. Es er-
laubt durchaus den großen Strich, ja im Vergleich
zur Pinselmalerei setzt der Stift nie aus, fordert also,
theoretisch gesprochen, nicht so oft den neuen An
satz. sondern läßt der Hand jegliche ungehinderte
Leichtigkeit, er malt und zeichnet zugleich. Der
Druck des Stiftes kann vom feinsten, hauchartigen
Strich bis zum fast pastos wirkenden Aufsetzen der
Farbe gesteigert werden; man darf mit größter Be-
rechtigung als sonst von Farben-Schmelz sprechen,
braucht keinerlei Bindemittel zuzumengen, weil die
zum Stift geformte Farbe bereits als Masse mit
Kreide, Zinkweiß oder anderem Mittel gebunden ist.
Vielleicht gibt gerade dieses trockene, körnige Volu-

Kunst für Alle, Jahrg. 57, Heft 4, Januar 1942

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