Die Bildhauerin Elisabeth Ney und König Ludwig II.
(Fortsetzung von S. 272)
Edm. Montgomery (1864), Garibaldi (1865), Bis-
marck (1867): die zwei letzten Büsten zierten bei der
Pariser Weltausstellung (1867) den Eingang der
Deutschen Ausstellungsräume.
Eines Tages wurde König Ludwig II. auf die Künst-
lerin aufmerksam. Als sie sich in Schwabing eine
Villa bauen wollte, übernahm er es ohne weiteres,
diesen Plan auszuführen. Um 1800 hatte der Mün-
chen er Bürger Sebastian Mühlbauer sich „an der
Grube" in Schwabing ein Haus mit Garten erstellt,
das er 1811 an Paul Aschner um 800 fl. verkaufte.
Später hauste in diesem abgeschiedenen Idyll der
kgl. Garderobediener Florian Keill. Dieser Winkel
lockte Elisabeth Ney. Der spätere Oberbaurat Degen
entwarf den Plan zu dem geschmackvollen Parkhaus
(später Maria-Josefa-Str. 8), den der König billigte.
Hier entstanden die Büsten von Liebig, Möhler (1867)
und des preußischen Gesandten Graf von Werthern
(1868).
1869 erteilte ihr der König den Auftrag, ein Stand-
bild von ihm zu fertigen. Bedingung war: Ney sollte
während der Sitzungen wieder sprechen noch Körper-
maße nehmen. Als sie zum erstenmal vorgelassen
wurde, war der König ziemlich mürrisch. Ney, die
schon mit dem Frauenfeinde Schopenhauer fertig
geworden war, ließ sich auch von keinem König ein-
schüchtern. Zunächst bat sie, etwas vorlesen zu dür-
fen. Genehmigt. Bei den Versen aus Goethes „Iphi-
genie", die sie vortrefflich vortrug, erhellte sich die
Miene Ludwigs. Nach einer Weile aber fragte er
ungeduldig: „Warum fangen Sie nicht an?" „Ich
studiere Majestät", war die offene Antwort. In Zu-
kunft wurde der Odysseussaal der Neuen Besidenz für
die Sitzungen bestimmt; Ney schwankte, in welcher
Gewandung sie den König darstellen sollte; da sah sie
ihn beim Ordensfest in der altspanischen Tracht der
Hubertusritter und bat den König, ihn so darstellen
zu dürfen. Ihr Wunsch wurde gewährt. Aber die
Sitzungen verliefen bei der Ungeduld und Sprung-
haftigkeit des Königs nicht glatt. Die Schönheit der
Künstlerin, welche Kaulbach, Schopenhauer, Gott-
fried Keller berückt hatte, übte auf Ludwig nicht den
mindesten Eindruck aus; aber ihre Gespräche, ihre
Belesenheit, ihre Selbständigkeit in den Ansichten
fesselten ihn. Wir können aus den Briefen, in denen
sie die mündlichen Themen fortsetzte, leicht er-
schließen, was sie mit dem König besprach. Vor allem
wollte sie ihn der selbstgewählten Vereinsamung ent-
ziehen: so schrieb sie ihm im Dezember: „Stete Ein-
samkeit vermag unmöglich einem solchen Geiste in
früher Jugend die Nahrung zuzuführen, welche ihm
volle Stärke geben kann, seines Wollens Sphäre mit
Genüge zu erfüllen". Sie verweist auf Schopenhauer,
auf den ihn ja schon Cosima Wagner aufmerksam
gemacht hatte, empfiehlt ihm den Umgang mit Lie-
big u. ä. Einmal will ihr Ludwig Juwelen schenken.
Aber sie lehnt ab mit den Worten: „Ich habe keine
Zeit, mich um Juwelen zu kümmern, Eure Majestät!
Wenn meine Freunde mir Geschenke machen wollen,
so geben sie mir Blumen." Der König, sonst über-
empfindlich, schickte ihr von da ab täglich die sel-
tensten und schönsten Blumen seines Wintergartens.
Ende 1869 wurde das fertige Gipsmodell in der Aka-
demie der Künste zu Berlin ausgestellt. 1872 erteilte
G. Neureuther, der Baumeister des Polytechnikums
und der Akademie der Künste in München, dem Bild-
hauer Friedrich Ochs in Berlin den Auftrag, das
Modell in Marmor auszuführen. Die Statue sollte die
Aula des Polytechnikums zieren. Aus mir unbekann-
ten Gründen verzögerte sich die Ausführung des Pla-
nes: noch 1886 beklagt Anton von Werner in der
„Frankfurter Zeitung", daß das Modell im Atelier
des Berliner Bildhauers „dem sicheren Verderben
entgegenging". Endlich 1894 konnte man das schöne
Marmorstandbild im Münchner Kunstverein bewun-
dern. Nach neueren Erwägungen sollte es in der
Eingangshalle des Schlosses auf Herrenchiemsee Auf-
Stellung finden. Indessen gelang es den Bemühungen
Dr. Dürcks, des Schwiegersohnes von Wilhelm Kaul-
bach, daß es vor Schloß Linderhof, wo auch Neys
..gefesselter Prometheus" sich befindet, zwischen dem
Nixenbrunnen und dem Monopteros Platz fand. Aber
1926 mußte es nochmals wandern: nunmehr steht
es im König-Ludwig-Museum auf Herrenchiemsee.
Die Künstlerin selbst zog 1871 mit ihrem Mann nach
Texas, um sich aus exzentrischen Völkerbeglückungs-
ideen heraus der geistigen und leiblichen Förderung
der früheren Sklaven zu widmen. Am 25. Mai 1881
schrieb sie an den befreundeten Anton von Werner
ernüchtert: „Heute würde ich die früheren Sklaven
ganz gewiß wieder zu Sklaven machen, wenn es an
mir läge ... Die Natur hat Bassen geschaffen, und sie
behauptet dieselben; und alles, was wir tun können
und sollen, ist, das Edelste darin zu veredeln. Jahre-
langes Mühen war vergebens und nur eine Rotte
Undankbarer umgibt einen, von denen man als Beute
betrachtet wird".
Ihre Münchner Villa wurde nach ihrer Abreise ver-
mietet; 1905 erkor sie Adolf Furtwängler zu seinem
Heim; nach seinem Tod (1908) mußte sie einem
größeren Herrschaftsbau weichen. In Schwabing ist
damit die letzte Erinnerung an die einst so gefeierte
Künstlerin Elisabeth Ney verschwunden.
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(Fortsetzung von S. 272)
Edm. Montgomery (1864), Garibaldi (1865), Bis-
marck (1867): die zwei letzten Büsten zierten bei der
Pariser Weltausstellung (1867) den Eingang der
Deutschen Ausstellungsräume.
Eines Tages wurde König Ludwig II. auf die Künst-
lerin aufmerksam. Als sie sich in Schwabing eine
Villa bauen wollte, übernahm er es ohne weiteres,
diesen Plan auszuführen. Um 1800 hatte der Mün-
chen er Bürger Sebastian Mühlbauer sich „an der
Grube" in Schwabing ein Haus mit Garten erstellt,
das er 1811 an Paul Aschner um 800 fl. verkaufte.
Später hauste in diesem abgeschiedenen Idyll der
kgl. Garderobediener Florian Keill. Dieser Winkel
lockte Elisabeth Ney. Der spätere Oberbaurat Degen
entwarf den Plan zu dem geschmackvollen Parkhaus
(später Maria-Josefa-Str. 8), den der König billigte.
Hier entstanden die Büsten von Liebig, Möhler (1867)
und des preußischen Gesandten Graf von Werthern
(1868).
1869 erteilte ihr der König den Auftrag, ein Stand-
bild von ihm zu fertigen. Bedingung war: Ney sollte
während der Sitzungen wieder sprechen noch Körper-
maße nehmen. Als sie zum erstenmal vorgelassen
wurde, war der König ziemlich mürrisch. Ney, die
schon mit dem Frauenfeinde Schopenhauer fertig
geworden war, ließ sich auch von keinem König ein-
schüchtern. Zunächst bat sie, etwas vorlesen zu dür-
fen. Genehmigt. Bei den Versen aus Goethes „Iphi-
genie", die sie vortrefflich vortrug, erhellte sich die
Miene Ludwigs. Nach einer Weile aber fragte er
ungeduldig: „Warum fangen Sie nicht an?" „Ich
studiere Majestät", war die offene Antwort. In Zu-
kunft wurde der Odysseussaal der Neuen Besidenz für
die Sitzungen bestimmt; Ney schwankte, in welcher
Gewandung sie den König darstellen sollte; da sah sie
ihn beim Ordensfest in der altspanischen Tracht der
Hubertusritter und bat den König, ihn so darstellen
zu dürfen. Ihr Wunsch wurde gewährt. Aber die
Sitzungen verliefen bei der Ungeduld und Sprung-
haftigkeit des Königs nicht glatt. Die Schönheit der
Künstlerin, welche Kaulbach, Schopenhauer, Gott-
fried Keller berückt hatte, übte auf Ludwig nicht den
mindesten Eindruck aus; aber ihre Gespräche, ihre
Belesenheit, ihre Selbständigkeit in den Ansichten
fesselten ihn. Wir können aus den Briefen, in denen
sie die mündlichen Themen fortsetzte, leicht er-
schließen, was sie mit dem König besprach. Vor allem
wollte sie ihn der selbstgewählten Vereinsamung ent-
ziehen: so schrieb sie ihm im Dezember: „Stete Ein-
samkeit vermag unmöglich einem solchen Geiste in
früher Jugend die Nahrung zuzuführen, welche ihm
volle Stärke geben kann, seines Wollens Sphäre mit
Genüge zu erfüllen". Sie verweist auf Schopenhauer,
auf den ihn ja schon Cosima Wagner aufmerksam
gemacht hatte, empfiehlt ihm den Umgang mit Lie-
big u. ä. Einmal will ihr Ludwig Juwelen schenken.
Aber sie lehnt ab mit den Worten: „Ich habe keine
Zeit, mich um Juwelen zu kümmern, Eure Majestät!
Wenn meine Freunde mir Geschenke machen wollen,
so geben sie mir Blumen." Der König, sonst über-
empfindlich, schickte ihr von da ab täglich die sel-
tensten und schönsten Blumen seines Wintergartens.
Ende 1869 wurde das fertige Gipsmodell in der Aka-
demie der Künste zu Berlin ausgestellt. 1872 erteilte
G. Neureuther, der Baumeister des Polytechnikums
und der Akademie der Künste in München, dem Bild-
hauer Friedrich Ochs in Berlin den Auftrag, das
Modell in Marmor auszuführen. Die Statue sollte die
Aula des Polytechnikums zieren. Aus mir unbekann-
ten Gründen verzögerte sich die Ausführung des Pla-
nes: noch 1886 beklagt Anton von Werner in der
„Frankfurter Zeitung", daß das Modell im Atelier
des Berliner Bildhauers „dem sicheren Verderben
entgegenging". Endlich 1894 konnte man das schöne
Marmorstandbild im Münchner Kunstverein bewun-
dern. Nach neueren Erwägungen sollte es in der
Eingangshalle des Schlosses auf Herrenchiemsee Auf-
Stellung finden. Indessen gelang es den Bemühungen
Dr. Dürcks, des Schwiegersohnes von Wilhelm Kaul-
bach, daß es vor Schloß Linderhof, wo auch Neys
..gefesselter Prometheus" sich befindet, zwischen dem
Nixenbrunnen und dem Monopteros Platz fand. Aber
1926 mußte es nochmals wandern: nunmehr steht
es im König-Ludwig-Museum auf Herrenchiemsee.
Die Künstlerin selbst zog 1871 mit ihrem Mann nach
Texas, um sich aus exzentrischen Völkerbeglückungs-
ideen heraus der geistigen und leiblichen Förderung
der früheren Sklaven zu widmen. Am 25. Mai 1881
schrieb sie an den befreundeten Anton von Werner
ernüchtert: „Heute würde ich die früheren Sklaven
ganz gewiß wieder zu Sklaven machen, wenn es an
mir läge ... Die Natur hat Bassen geschaffen, und sie
behauptet dieselben; und alles, was wir tun können
und sollen, ist, das Edelste darin zu veredeln. Jahre-
langes Mühen war vergebens und nur eine Rotte
Undankbarer umgibt einen, von denen man als Beute
betrachtet wird".
Ihre Münchner Villa wurde nach ihrer Abreise ver-
mietet; 1905 erkor sie Adolf Furtwängler zu seinem
Heim; nach seinem Tod (1908) mußte sie einem
größeren Herrschaftsbau weichen. In Schwabing ist
damit die letzte Erinnerung an die einst so gefeierte
Künstlerin Elisabeth Ney verschwunden.
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