Adolf Schinnerer. Stade! im Winter
Neue Bilder von Adolf Schinnerer. Von Ulrich Christoffel
Der Maler steht vor der weißen Leinwand und will
ein Bild, das ein äußerer Natureindruck in ihm er-
weckt hat oder das er selber erfunden hat. auf die
Fläche malen. So muß er das gerahmte Rechteck durch
Farben und Linien in Tiefe und Weite verwandeln
und die Gegenstände, die er darstellen will, durch
Licht und Schatten und Vorder- und Hintergrund
in eine schaubare Ordnung und einen bestimmten
Einklang bringen. Er muß durch seine künstlerische
Arbeit dem Bilde einen malerischen Rhythmus mit-
teilen, durch den es auf der Fläche eine selbständige
geistige Existenz annimmt. Es gibt Maler, die in die-
ser Rhythmisierung des Bildes, ob sie nun mehr durch
Linie und Zeichnung oder mehr durch Farbe und
Lichtführung erfolgt, das eigentliche Erfinden und
Gestalten erblicken. Aber dieses Gestalten hat immer
die Erkenntnis des Wirklichen, ein Beobachten und
Durchdringen der Natur, ein inhaltliches Erfinden
durch Phantasie und Erkenntnis oder einen starken
Ausdruckswillen zur Voraussetzung. Dabei gilt bald
die Nachahmung, eine möglichst getreue, ähnliche,
täuschende Wiedergabe der betrachteten Natur, bald
der alleinige Aufbau des Bildes aus dem dekorativen,
sinnlichen oder symbolischen Eigenwert der Farbe
als die erste Aufgabe der Bildgebung.
Bei dem Ordnen des Bildes aus der Farbe steht der
Maler nicht nur vermittelnd zwischen der Wirk-
lichkeit und ihrer farbigen Wiedergabe im Bilde, son-
dern er weiß sich selber verbunden mit der Natur
und ihren Geheimnissen, mit der Sonne, dem Wind,
den Schatten und allem Wandel der Stunden und
der Jahreszeiten. Er begnügt sich nicht damit, einen
Widerschein des Wirklichen kunstvoll aufzufangen,
sondern sein Erlebnis zwingt ihn zu einer Neuord-
nung des Gesehenen im Bilde, und an Stelle der Spie-
gelbilder vermag er aus seinen Farben Sinnbilder
der Natur hervorzubringen. Er besitzt jene schöpfe-
rische Kraft der Erfindung, die Leibniz und Fichte
der deutschen Sprache zuschrieben, die in Entwick-
lung begriffen, werdend und unfertig alle Möglich-
keiten der Bildung und des Ausdrucks bewahrt und
immer neue Welten in sich aufnehmen und verar-
beiten kann. In dieser Auffassung von der maleri-
schen Rhythmisierung und Erfindung des Bildes liegt
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Neue Bilder von Adolf Schinnerer. Von Ulrich Christoffel
Der Maler steht vor der weißen Leinwand und will
ein Bild, das ein äußerer Natureindruck in ihm er-
weckt hat oder das er selber erfunden hat. auf die
Fläche malen. So muß er das gerahmte Rechteck durch
Farben und Linien in Tiefe und Weite verwandeln
und die Gegenstände, die er darstellen will, durch
Licht und Schatten und Vorder- und Hintergrund
in eine schaubare Ordnung und einen bestimmten
Einklang bringen. Er muß durch seine künstlerische
Arbeit dem Bilde einen malerischen Rhythmus mit-
teilen, durch den es auf der Fläche eine selbständige
geistige Existenz annimmt. Es gibt Maler, die in die-
ser Rhythmisierung des Bildes, ob sie nun mehr durch
Linie und Zeichnung oder mehr durch Farbe und
Lichtführung erfolgt, das eigentliche Erfinden und
Gestalten erblicken. Aber dieses Gestalten hat immer
die Erkenntnis des Wirklichen, ein Beobachten und
Durchdringen der Natur, ein inhaltliches Erfinden
durch Phantasie und Erkenntnis oder einen starken
Ausdruckswillen zur Voraussetzung. Dabei gilt bald
die Nachahmung, eine möglichst getreue, ähnliche,
täuschende Wiedergabe der betrachteten Natur, bald
der alleinige Aufbau des Bildes aus dem dekorativen,
sinnlichen oder symbolischen Eigenwert der Farbe
als die erste Aufgabe der Bildgebung.
Bei dem Ordnen des Bildes aus der Farbe steht der
Maler nicht nur vermittelnd zwischen der Wirk-
lichkeit und ihrer farbigen Wiedergabe im Bilde, son-
dern er weiß sich selber verbunden mit der Natur
und ihren Geheimnissen, mit der Sonne, dem Wind,
den Schatten und allem Wandel der Stunden und
der Jahreszeiten. Er begnügt sich nicht damit, einen
Widerschein des Wirklichen kunstvoll aufzufangen,
sondern sein Erlebnis zwingt ihn zu einer Neuord-
nung des Gesehenen im Bilde, und an Stelle der Spie-
gelbilder vermag er aus seinen Farben Sinnbilder
der Natur hervorzubringen. Er besitzt jene schöpfe-
rische Kraft der Erfindung, die Leibniz und Fichte
der deutschen Sprache zuschrieben, die in Entwick-
lung begriffen, werdend und unfertig alle Möglich-
keiten der Bildung und des Ausdrucks bewahrt und
immer neue Welten in sich aufnehmen und verar-
beiten kann. In dieser Auffassung von der maleri-
schen Rhythmisierung und Erfindung des Bildes liegt
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