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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 57.1941-1942

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Kroll, Bruno: Philipp Franck
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https://doi.org/10.11588/diglit.16490#0080

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ahmten französischen Im-
pressionismus sind zu sehen.
Das propagandistisch auf-
geblähte Gegenstück zu den
Revolutionsdarstellungen ist
eine Reihe von Rildern, in
denen das sorglos heitere
Leben im Staate der So-
wjets veranschaulicht wer-
den soll. Das überaus bunte
(nicht farbige f) Treiben in
den Volksparks — die Klei-
dung besonders der Frauen
ist trotz der betonten Runt-
heit von einer nicht zu un-
terbietenden Uneleganz —
die roten Maifeiern, Feier-
abendveranstaltungen des
Dorfsowjet, lachende Müt-
ter mit ihren wohlgenährten
Kindern, das sind die The-
men dieser zweckhaften Pro-
pagandamalerei. Die dreiste
Unbekümmertheit des Vor-
trages vermag dabei über die
Primitivität der künstleri-
schen Gestaltung nicht hin-
wegzutäuschen. Und Primi-
tivität heißt hier nicht Ein-
fachheit und Rescheidung
der malerischen Mittel, son-
dern plumpe Formlosigkeit
und farbige Indifferenz. Die
Einleitung des Ausstellungs-
kataloges spricht dabei aus-
drücklich von „Monumenta-
lität ' — dabei ist kaum ein-
mal auch nur eine dekora-
tive Wirkung erreicht.
Der Retrachter kann sich
des Gefühles nicht erweh-
ren, als zeige diese Male-
rei gar nicht das wirkliche
Gesicht der „Kunst im So-
wjetstaat*', als sei sie viel-
mehr eine Maske, künstlich
zurechtgemacht und be-
fehlsgemäß zur Schau getragen. Wenn Kunst „das absichtlich aus Gründen der Tarnung einer vorrevo-
Ins-Werk-Setzen der Wahrheit" ist, dann ist mit die- lutionären Zeit entnommen sein, diese Intensität des
ser Malerei ein verhüllendes Tuch über die Wahr- Ausdrucks läßt sich nicht über mehr als zwanzig
heit gehängt, ein hannlos dekorativer Vorhang vor Jahre hinweg konservieren, wenn in der Zwischen-
einer Ruhne, auf der allabendlich Tragödien von zeit alles getan worden wäre, um sie vergessen zu
blutigster Dramatik in Szene gehen. machen und ihre Spuren auszulöschen. Diesen aus-

Die Graphik reißt diesen Vorhang jäh entzwei. Die gezehrten Müttern mit ihren hohlwangigen Säug-
erschreckende Not der vergewaltigten Seele tritt hier lingen (Abb. S. 44), den in Dumpfheit und Schmutz
mit einer grausamen Deutlichkeit zutage, mit der verlöschenden Greisen, den Kretins, den aller Zucht
kaum jemals eine Kunst die seelische Qual ihrer Er- und Fürsorge entratenen Kindern kann man täglich
zeuger enthüllt hat. Und diese Not ist gegenwärtig, in den verkommenen Gassen und in den zerfallen-
das müßte der Retrachter mit ganzer Eindringlich- den Holzhütten sowjetrussischer Dörfer und Städte
keit vor diesen Zeichnungen und Holzschnitten spü- begegnen. LTnd der stiernackige Einpeitscher, der mit
ren, wenn er es nicht aus hundert Regegnungen und einem Knüppel bewaffnet die Arbeit der Frauen und
Gesprächen mit den Menschen dieses Landes schon Kinder auf dem Felde beaufsichtigt oder ein beim
wüßte. Mögen auch die Themen der Darstellung Kartoffelstehlen ertapptes Weib mit Fußtritten in
menschlichen Elends und menschlicher Niedrigkeit den schwangeren Leib davonjagt (Abb. S. 48),

A. Grube. Der Mann mit der Leier

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