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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Uhde-Bernays, Hermann: Neue Bücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0071

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Würde man solche hohen Worte als Entschuldigungs-
grund ansehen, wie eine Visitenkarte, die bei einem
absichtlich verfehlten Besuch abgegeben wurde, um so
schlimmer für den Referenten, der nichts anderes
wünscht als — bei seinem Besuche die verehrte Klientel
zu Hause anzutreffen, um eine lehrreiche Unterhaltung
zu gemessen, und seine Karten zu sparen. Nur wird
mancher Ungeduldige warten müssen.

Wir begrüssen heute zuerst einen Mann, der sich
nun gerade nicht in die schulmeisterlich abgeleiteten
Kategorien einsperren lässt: Friedrich Naumann
giebt in seinen Ausstellungsbriefen und in dem
ebenso anspruchslosen Büchlein „Form und Farbe"
(Verlag der „Hilfe" Schöneberg) dem Einfachen genug,
indem er ihn sanft über die grösseren Schwierigkeiten
der einzelnen künstlerischen Fragen hinüberleitet, ihn
belehrt und bildet durch seine „dilettantischen (im
rühmenden Sinne Goethes gesprochen)" Erklärungen
und Weisungen. Und dem Wissenden gewährt manche
lebensvolle Bemerkung grössere Anregung als ein von
irgend einem Snob tiefsinnig ausgetipfelter Aphorismus,
dessen Zwillingsbruder der Gemeinplatz war. Auch
Endells „Schönheit der Grosstadt" (bei Strecker
und Schröder, Stuttgart) bedeutetin dem schlichtenKleide
der äusseren Erscheinung eine wertvolle Äusserung, die
durch die Ernsthaftigkeit der ästhetischen Betrachtungs-
art wirken sollte, etwa im Sinne Lichtwarks.

Unter den wichtigen Büchern, die ein bestimmtes Ge-
biet behandelnund sich darum nur an einen kleineren Kreis
wenden, der aber über die eigentlichen Kunsthistoriker
weit hinausgeht, steht die Übersetzung von Durets
„Impressionisten" (Verlag von Bruno Cassirer,
Berlin) an erster Stelle. Diese Kapitel eines Mannes,
der dem Einsetzen der impressionistischen Bewegung
und den ersten Kämpfen mit persönlich freundschaft-
licher Teilnahme beigewohnt hat, vermitteln eine nicht
zu übertreffende Kenntnis von den Lebensumständen
der Freunde Manets, und die bescheidene Zurück-
haltung des Autors giebt ihnen einen sympathischen
schriftstellerischen Zug. Neben den Mitteilungen über die
tatsächlichen Begebenheiten, die wir schon mit historisch
abgekühlter Aufmerksamkeit lesen, gibt Duret kurze
Biographien, und wendet sich gleichzeitig zu der künst-
lerisch-persönlichen Eigenart des einzelnen Malers, die er
in sorgfältiger Analyse ergründet. Das Lob für die treff-
liche Ausstattung, das den „Impressionisten" zu teil
werden muss, dürfen wir mit dem gleichen Nachdruck
der kostbaren Marees-Mappe (im selben Verlag) zu-
billigen. Die Abbildungen dieser einzigen Fresken —
einzig auch, weil nur hier dem Künstler die Möglichkeit
gewährt war, die freie Fläche der Wand schöpferisch
»ins Ewige zu erweitern" - im Bibliotheksaale des
Aquariums zu Neapel geben trotz dem sorgsam ge-
wählten Format nur einen schwachen Schein von der
wundersamen Grösse der Originale, wie auch an Piero
della Francescas Fresken der Photograph sich vergeblich

müht. Aber mit wehmütiger Freude danken es vor
allem die Freunde des Meisters, denen diese Fresken
und nicht die Spätzeit die Höhe seines Lebenswerkes
bedeuten, dem Herausgeber Paul Hartwig, dass er
ein würdiges „Mnemeion" aufrichtete......

Nur mit flüchtigem Wort will Karl Schefflers
„Paris" (im Insel-Verlag, Leipzig) genannt werden,
denn flüchtige Worte, „Notizen" über Kunst, Archi-
tektur und Leben der Weltstadt enthält das ernste und
ausserordentlich persönliche Buch, das hoch über dem
Durchschnitt der vielen „Städtemonographien" steht.
An dieser Stelle möge es wenigstens erlaubt sein,, dar-
auf hinzuweisen, wie einheitlich und wie vollständig das
Bild der Pariser Kultur von einem klaren Verstände
erfasstwurde, wie ergreifend bescheidene Stellen wirken,
wo der Dank für die Gunst des Geschicks abgestattet
wird, überquellend aus der Tiefe eines wirklich mit
allen Fasern des ganzen inneren Seins an der hehren
Schönheit der Kunst hangenden Gefühls . . .

Bei den Publikationen, die im Laufe der letzten
Jahre im Ausland erschienen sind und Anspruch machen
auf besondere Erwähnung, darf die von der Verlags-
buchhandlung van OostinBrüssel herausgegebene Samm-
lung „collection des artistes beiges contempo-
r ain s" an die Spitze der Section „Serien zu billigem Preise"
treten. Veranlasst durch die an englischen Handbüchern
gemachten Erfahrungen, und genau so geärgert durch
den Qualitätsmangel mancher einheimischen Bücher-
folge, bringen wir solchen Unternehmungen meist ein be-
rechtigtes Misstrauen entgegen. Auch hier wäre ein un-
eingeschränktes Lob bedenklich. Aber wir erhalten zu dem
nicht zu teuren Preise von je 10 Franken umfangreiche,
gut ausgestattete Monographien, die an Hand des unwich-
tigeren biographischen Materiales erfreuliche Angaben
über den künstlerischen Ursprung und Werdegang der be-
deutenden jüngeren Belgier bringen. Für uns liegt der
eigentliche Wert in der raschen Orientierungsmöglichkeit,
und darum begrüssen wir im Anhang beigefügte Oeuvre-
kataloge mit besonderer Teilnahme. Bei Lebenden
kann die Würdigung nicht abschliessend sein: was Des
Ombiaux über den Bildhauer Rousseau, was Dumont-
Wilden überKhnopff, Vanzype überLaermansu. a. sagen,
überschreitet das Maass eines pro domo geschriebenen
Feuilletons nicht. Am erfreulichstenerscheintLambottes
Arbeit über den frühverstorbenen Evenepoel, dessen
farbenkräftiges Werk in Berlin, Mannheim und Venedig
Beifall und Teilnahme forderte. Hier ist der Maassstab
der künstlerischen Einschätzung nicht verschoben mit
Rücksicht auf die selbstverständliche Sympathie für das
Schicksal des Künstlers.

Aus den biographischen Hauptwerken der letzten
Zeit ist das Buch von Boyer d'Agan über Ingres heraus-
zuheben. Aber diese dokumentenreiche, überraschende
und lehrreiche Publikation verdient eine eigene und
ausführliche, demnächst erfolgende Anzeige. Es soll
einstweilen nur der Name genannt sein.

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