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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 9
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Fischer, Otto: Ludwig von Hofmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0485

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LUDWIG VON HOFMANN

VON

OTTO FISCHER

|s scheint mir, als wäre heute die Zeit
I gekommen, über die Kunst und die
künstlerische Persönlichkeit Ludwig
von Hofmanns ein Urteil zu suchen,
das vielleicht nicht mehr ganz den An-
schauungen undHofFnungen entspricht,
' die sich früher für Viele mit diesem
Namen verbanden. Und es handelt sich vielleicht bei
einem solchen Versuch nicht um Hofmann allein mehr,
sondern um einen ganzen Kreis Verwandtes erstrebender
Geister und um eine bestimmte Art der künstlerischen
Begabung zugleich, die uns sein Werk und seine Person
vertritt. Als Hofmann auftrat, da weckten seine An-
fänge Erwartungen, die man gerne auch später noch die
Wertung des fortschreitenden und immer vielfacher sich
aussprechenden Künstlers bestimmen liess. Ich erinnere
mich wohl, wie begeistert wir einst vor diesen Bildern
standen, begeistert von dem Eindruck, dass hier ein
neuer Farbenfrühling und eine neue Idealität in die
deutsche Kunst ihren Einzug hielten, begeistert auch
von der Universalität dieses für antike Rhythmen, für die
unberührte Schönheit eines reineren Menschentums, für
die grossen Linien der Berge und Meere und für die
feinen Farbenreize modernster Impressionen gleich
empfindlichen Malers.

Das Wort Universalität ist in einem gewissen Sinne
durchaus zutreffend. Es trat dies bei den neueren Aus-
stellungen Hofmannscher Werke, bei einer Ausstellung
z. B. wie sie im vorigen Jahre in verschiedenen deutschen
Städten zu sehen war, sehr deutlich vor Augen.

Hier waren graue Zeichnungen, Spukbilder gespen-
stischer Stimmungen, wie sie dieBelgier: Khnoopf,Ensor,
Maeterlinck lieben. Hier waren Skizzen aus der grie-
chischen Welt: ein Tanz von Eumeniden, zu dem nackte
Frauen wie Schmerzensschreie aus Höhlen aufheulen
und Zymbeln schlagen. Dann war eine Folge sehr
schöner Entwürfe zu friesähnlichen Wandbildern zu
sehen: das Dramatische, das Hymnische, das Lyrische,
das Orchestrische antiker Kunst- und Menschheitsver-
ewigung in wundervoll rhythmischen Figurenfügungen
hinbreitend. Hier wehte in den unmittelbar suggestiven
Linien Tanzender und Schreitender wie anderswo in
dem Zueinanderklingen von Gestalt und Landschaft in
Wahrheit etwas nach vom Geist der Dionysien. Dann
waren hier Beispiele der bekannten Kompositionen Hof-
manns: ein Beieinander nackter und halbentblösster
Menschen an idealen Hügeln oder Gestaden, badende
Frauen und Kinder, Reigen von Mädchen, Jünglinge auf

Es mag diese prinzipielle Auseinandersetzung zugleich als
ein Bericht der Ausstellung gelten, die in diesen Wochen bei
Paul Cassirer zu sehen war. D. Red.

Pferden u. dgl., oft ein sehr harmonischer Klang von
Tönen und Bewegungen, oft ein zartester Ausdruck
seelischer Beziehungen. Die Skizzen und Entwürfe
immer glücklicher als die ausgeführteren Bilder; auch
ein paar Aktzeichnungen nach dem Modell schienen mir
weniger bedeutend. Am interessantesten und erfreu-
lichsten aber für mich waren einige Landschaftsstudien,
teils in Öl, teils in Pastell, italienische Motive: eine ent-
zückende Frühlingswiese mit Zypressen hinter dem Ab-
hang. Mittaglicht in einem südlichen Park: ein Gewirre
von Sonne auf Wegen, von hängenden Ästen weisser
Fieberbäume, von blauen Himmelsblicken durch Zweige.
Oder ein kleiner Dampfer, der im weichen veilchen-
grauen Abend über das Wasser zieht, vorüber, mit
gelben Lichtern, lautlos, wie ein Schiff des Glücks.
Oder, vom Berge gesehen: unter tief hängenden
schwarzen gewitterhaften Wolken ein totes dunkelgrünes
Meer, gar nichts andres als die tote Fläche dieses Meers
vor dem Sturm. Nur unten, vorne, klein und wie ver-
gessen: zwei Wellen Gischt die ersten Klippen über-
spülend. Um diese zwei Flecken Gischt allein könnte
ich Hofmann lieben: sie machen, dass man das nasse
Klatschen des Wassers hört, das von Zeit zu Zeit herauf-
kommt, — so trostlos — in der unnatürlichen Stille.

Ich möchte Hofmann keineswegs verkleinern. Es ist
gross an ihm, dass er für so viele Dinge ein spezifisches
Gefühl hat und dass er stets und jedes aus einem ersten
und allgemeinen Gefühl heraus gestaltet: so sind seine
Werke immer ein unendlich Harmonisches und Reines.
Ich will es auch gewiss nicht tadeln, dass seine Be-
gabung immerhin subjektiv und in einer gewissen Rich-
tung beschränkt ist, dass sie ihn mehr das Weiche und
Weibliche als das Harte und Starke empfinden lässt.
Hofmann ist eine empfangende und schwärmerische
Natur — er könnte blond sein. Er liebt alles Zarte und
Weiche, die Helligkeit, die blassen und duftigen Farben,
die kühleren Töne, das ungewisse Durcheinanderspielen,
alles süsse Einschmeichelnde, alles was sich sanft anrührt,
auch das Wehmütige, auch das Dunkle und Schaurige,
auch alles bangSein, ja selbst ein leidenschaftlich erhöhtes
Pathos — aber nur nichts Lautes und Grelles, nur
keinen Choc! Schon das Bestimmte erschreckt ihn; vor
dem Wilden, vor dem Bunten und allem Kraftvollen
scheint er scheu aus dem Wege zu gehen. Diese Sonnen-
lande, diese nackten Menschen sind etwas erdfern, sie
sind so rein, so zart — man möchte ihnen gerne mehr
Glut, mehr Sinnlichkeit, mehr Schamlosigkeit wünschen.
Man möchte sie auch dem Maler wünschen. Denn so
sehr fein und distinkt sein Empfinden ist, so viel Ge-
schmack und Vornehmheit er besitzt, hier beginnt nun
ein gewisser Mangel der künstlerischen Anlage deutlich

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