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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 5
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0289

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CHRONIK

QU A L I T Ä T

as ist Qualität?

Auf diese Frage weiss selbst der im
Gebiete der Kunst Heimische keine klare
Antwort; sie ist fast so dunkel wie jene
hamletartige Frage des Pilatus: „Was ist Wahrheit?"

In den letzten Wochen ist dieses Thema wieder be-
sonders aktuell gewesen. In dem Streit um die Flora-
büste des Kaiser Friedrich-Museums konnte man, soweit
es nicht ein politischer Kampf gegen Bode war*, von wohl-
meinenden Kunstfreunden die plausibel klingende For-
derung aufstellen hören, es müsse bei dem vielumstrit-
tenen Bildwerke vor allem auf die Qualität gesehen
werden und es sei die Frage nach der Entstehung als
etwas Sekundäres zu behandeln. Bei der Prüfung dieser
Forderung hat es sich aber gezeigt, dass, wenn es kaum
Autoritäten, ausser Zeit und Zufall, giebt, die über-
zeugend beweisen können, wes Landes und welcher Art
die geheimnisvoll lächelnde Flora ist, dass es dann auch

* In Paranthese: welchen vernünftigen Entzweck dieser
Kampf haben soll, bleibt unerfindlich. Wenn es nun wirklich
gelänge, Bode zu „stürzen"? Soll dieser Mann, der manchen
Fehler starker Begabungen und rücksichtsloser Willensmen-
schen hat, dem das deutsche Kunstleben aber Unendliches
verdankt und der vor den immer nach Persönlichkeiten
Rufenden nun doch wirklich einmal als eine wertvolle Per-
sönlichkeit dasteht, soll diese autokratische Renaissancefigur
wirklich einem gleichgültigen Verwaltungsgeheimrat aufgeopfert
werden ?

ebensowenig Einen giebt, der die Qualität des Werkes
über jeden Zweifel hinaus bestimmen könnte und dass
man auch nach dieser Seite auf die endgültige Formulie-
rung der Zeit warten muss.

Hier vernehmen wir zweifelnde Stimmen : „So wird
in einer Zeitschrift gesprochen, die den Ehrgeiz hat, nur
die Qualität in der Kunst zu vertreten?" Ja, so sprechen
wir, von denen mancher Leser vielleicht ein abschlies-
sendes Urteil erwartet. Mit tiefer Bescheidenheit be-
kennen wir uns zu der Überzeugung, ohne dadurch an
unserem Ziel aber irgendwie irre zu werden, dass es
ganz einwandfreie, ganz absolute Urteile über Kunst-
qualität überhaupt nicht giebt.

Dass jeder Einzelne sein Urteil für richtig und auch
wohl für absolut hält, ist eine That des Selbsterhaltungs-
gefühls; dennoch ist jedes, ja, schlechterdings jedes Ur-
teil irgendwie determiniert. Und damit auch präokku-
piert. Nicht zwei Künstler oder Kunstkenner haben
wir gesprochen, die im Urteil über die Florabüste voll-
ständig übereinstimmten. Waren sie einig in der An-
erkennung oder Verurteilung, so gingen sie weit gleich
auseinander, wenn das Warum diskutiert wurde oder die
Frage, mit was für einem Werk man es denn zu thun habe.
Es zeigte sich, dass die Einen, ohne es zu wissen, von
der Anschauungsweise der Kunstgeschichtsschreibung
präokkupiert sind, und dass die Anderen einem Ideen-

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