Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Kunstausstellungen
DOI Artikel:
Die Münchener Ausstellung mohammedanischer Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0629

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
kostümiertenFiguren, dagegen flach bei mehr
natürlichen Szenen, z. 13. die beiden Baden-
den am Flussufer, Szenen, die fiir„idyllische"
Behandlung doch mehr Abstraktion ver-
langen. Das alles mit einem Charme, der
für solche Frühreife bedenklich ist. Die
Strenge der lombardischen und toskanischen
Linien weist dem Preisträger den Weg zur
Vertiefung. Möge ihm Florenz gut be-
kommen! Unter den Mitbewerbern scheint
Erich Wolfsfeld einstweilen ganz Greiner,
so restlos Greiner, dass wir die Widmung
der Radierung „Die Freunde" an seinen
Meister wobl verstehen. Wir warten aber
inzwischen auf — Wolfsfeld. Frisch und
kerngesund tritt Karl Moser (Bozen) mit
farbigen Holzschnitten auf. Für mein Emp-
finden übertrifft er die meisten an Männ-
lichkeit und Ruhe. Seine Formbeherrschung
und Technik sind ganz zuverlässig. In dem
„Canalmotiv bei Paris" erreicht er die eigen-
tümliche, gleitende Stille, die auch in Berlin
unsere geradufrigen Kanäle mit ihren langen
Kähnen, z. B. am Lützow-Ufer, so weltent-
rückt und gross erscheinen lässt. Seine
Freude an der Farbe, anStoffen undTrachten
und blühendem Inkarnat giebt Moser in der
„Kroatin mit Hahn" und in den bretonischen
Frauen von Concarneau und Douarnenez
wieder. Seit die Bretagne von Charles
Cottet und dem Wiener Max Kurzweil ent-
deckt ward, hat Keiner ihr soviel gesunden
Glanz abgewonnen, wie Moser.

WilhelmWulff inEddelsen,einKalckreuth-
Schüler, ist mit seinen Tuschzeichnungen zu
Grimms Märchen hervorragend gut, besonders im Grotes-
ken. Hans Volkert hat zu den Kapitelüberschriften von
Ruskins„Sieben Leuchtern der Baukunst" eigene Phanta-
sien radiert, die mich, als Verdeutscher Ruskins, interes-
sierten. Der „Leuchter der Kraft" mit dem zusammenge-
sunkenen Skelett, dessen Schädellinie RuskinsProfil verrät,
und der „Leuchter der Aufopferung" schienen mir die
wirksamsten Blätter. Als „Gedankenzeichner" scheint
auch Edwin Scharff mit seinem Zyklus „Träume" und
Joseph Uhl mit seinen „Jugendträumen" und „Fieber-
phantasien" neue Wege zu betreten, die ein Jahrzehnt
hindurch bei uns auf dem Index standen und fast allein
als Klingers Domäne gelitten waren. Uhl hat viel bei
Stauffer-Bern gelernt. Scharff geht von der plastischen
Anschauungsfülle aus, aber über die Anatomie manch-
mal mit souveräner Unbekümmertheit hinweg. Dass
das Phantastische jetzt in der bildenden Kunst nach
gesteigertem Ausdruck ringt, wird man vielleicht der-
einst als historischen Wendepunkt der Entwicklung er-
kennen.

Paul Kayser (Hamburg) bringt eine farbige Ätzung

' I ■ /

MAX LIEBERMANN, B1I.DNISZK1CHNUNG WILHELM BODl'.S. LITHOGRAPHIE

in vernis-mou-Manier (Die Schiffsreparatur), in einer
Technik, die bisher Monopol einiger Pariser Maler-
radierer war. Sehr hübsch sind seine Ansichten vom Eib-
ufer bei Övelgönne, zitternd von Luft und Feuchte
(„Sommer an der Elbe", „Sturmflut"). Wilhelm Gall-
hofs pikante Einfälle, die sich mit Humor und Laune
immer um das Weibchen drehen, („Kompagnie-Be-
sichtigung", „Hexlein") zeigen, dass er nicht ohne Nutzen
in Paris studierte, Dagmar Hooge und Martha Cunz
benutzen beide mit gutem Geschick und Geschmack die
Holzschnittechnik, in der auch Grete Geibel (Weimar)
die Goethezimmer verewigt, während Frau Agnes
v. Bülow (Berlin) ihre Eindrücke aus Paris mittelst der
Algraphie wiedergiebt. Mit dem Ergebnis der beiden
Künstlerbund-Ausstellungen wird eine ernste Kritik sich
dann einverstanden erklären dürfen, wenn sie als Aus-
druck einer Übergangszeit gelten sollen, einer Zeit, die
ihren Stil suchte, aber noch nicht fand. In kommenden
Jahren wird die Auslese noch strenger werden dürfen.

617
 
Annotationen