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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 9
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0478

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UNSTAUSSTELLUNGEN

BERLIN
Eine schöne Sammlung alter eng-
lischer Möbel, wie sie bei der konser-
vativen Lebensweise der Engländer
selten genug nach dem Kontinent
kommt, war bei Hermann Gerson ausgestellt. Das Auf-
sehen, das diese Ausstellung in gewissen kunstverstän-
digen Kreisen der Hauptstadt gemacht hat, ist für das
moderne Kunstgewerbe eigentlich beschämend. Es ist
nicht nur Mode und Anticjuitätensucht, wenn geschmack-
volle Leute für diese englischen Möbel sehr hohe Preise
bezahlen. Es ist auch der Instinkt, dass in diesen Möbeln
schon die moderne Forderung in manchem Punkt erfüllt
worden ist. Diese alten Möbel zeigen zum Teil in seltener
Vollkommenheit, was den modernen zumeist fehlt: sie
sind zugleich bürgerlich und elegant, es schwingt in ihren
Haupt- und Detailformen eine Kunstmusik, die die
modernen Stücke nicht haben; man sieht zarte Ver-
hältnisse, feinsinnige Gliederungen und eine reife deko-
rative Formenfülle, wo man in den Arbeiten unserer
Zeit im wesentlichen nur nackte Tendenz findet. Die
Vorliebe für diese englischen Möbel ist ferner erklärt,
wenn man bedenkt, dass sie demselben Zeitgeiste ent-
stammen, dem wir die schönen Hanseatischen Möbel

des achtzehnten Jahrhunderts verdanken, die den Mo-
dernen in vielem ja Vorbilder sind, und wenn man
sodann in Betracht zieht, was die englische Möbelkunst
holländischen also niederdeutschen Einflüssen verdankt.
Am besten war bei Hermann Gerson Chippendale
(Hauptwirkungszeit etwa von 1740—1770) vertreten,
der beweglichste aller englischen Möbelkünstler — Stuhl-
künstler vor allem, — der es als ein vom Kunden ab-
hängiger Geschäftsmann verstanden hat, das repräsenta-
tive vind höfische französische Rokoko national englisch
und bürgerlich zu machen, reiche chinesische Formen
spielerisch darin aufzunehmen und das Neue der Tradi-
tion des Queen Anne-Style zu verbinden. Aus der Zeit
dieses Queen Anne-Style waren nur ganz wenige Stücke
zu sehen; und auch der mit kostbaren Hölzern, Intar-
sien und Bemalung operierende Sheraton (1770—1800
etwa), der von Vielen noch über Chippendale gestellt
wird, ohne dass man vom Kontinent aus diese Meinung
kontrollieren könnte, war nur mit einer Standuhr un-
vollkommen vertreten. Dagegen waren interessante
Stühle und Armsessel von Hepplewhite (etwa 1770 bis
1800) zu sehen, und eine Reihe sehr schöner Arbeiten
aus der Schule Adams, die eine mehr klassizistische
Strenge charakteristisch zeigen und die zu jenen Ar-

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ADAMS, SKSSEI

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