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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 10
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Elias, Julius: Die Pariser "Salons"
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Auktionsnachrichten / Neue Bücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0535

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mension menschliche Gestalten; der Boden glitzert und
glimmert wie der Marmorhof der Alhambra im Mond-
schein; das Wasser der Seine ist wie flüssiges Kristall—■
eine malerische Romantik, oder auch ein Theater, wie
man will. Le Sidaner, geboren auf einer „pittoresken"
Insel im indischen Ozean, wo sich östliches und west-
liches Blut vielfach kreuzten, trägt die realistische An-
schauung solcher Traumländer im innersten Wesen.
Ich bin kein Freund dieser Phantasmagorien, wie ich
auch kein Freund einer gewissen Periode Monets bin,
doch ich habe ein bestimmtes Gefühl davon, daß Le
Sidaner in seiner Art und Unart ehrlich ist.

Dieselbe Reinkultur des realistischen Romantikers
stellt Besnard dar; doch von seiner meisterlichen Palette
sprüht mehr Verve; das Licht ist schimmernder bei ihm,
die Luft bewegter
und leuchtender.
SchlafendeNymphe,
vomFaun belauscht:
webende Morgen-
sonne dringt stark
ins Gebüsch — der
Frauenkörper schim-
mert frisch und
hold wie die Rose
im Tau. Sein Schü-
ler Gaston La
Touche (er begei-
stert sich übrigens
auch an der maleri-
schen Lebensfülle
des achtzehnten
Jahrhunderts und an
dem phantastischen
Feuerwerker Mon-
ticelli) dekoriert„im
Auftrage" Staats-
säle mit einem
Traumleben, das

zwar nicht reich an malerischen Motiven, doch voll
farbigen Schwunges ist. Menschenfrühling im Herbst —
so könnte man das Leitmotiv dieser virtuosen Theatereien
nennen; — in den roten Gluten der Reife, im schwel-
lenden Segen der erntenden Zeit: Liebende und Liebes-
götter, Glück der Jugend, ziersame Schwäne, springende
Kaskaden, Blumenkränze, auf Wasserflächen schwebend,
und Gesang — der Künstler, der ein Liebling der
Gottheit ist, vergisst auch nicht sich selbst zu malen,
seinen gesunden Appetit und seine Zufriedenheit mit
dem Werk. Ein gewiegter Arrangeur. Wird Maurice
Denis nicht schliesslich einen ähnlichen Weg gehen? Es
scheint fast so. Was er an grossen Dekorationen leistet,
ist schlechter als Puvis und nicht besser als Flandrin;
seine kleineren, teils antikisierenden, teils christiani-
sierenden Schildereien —■ Orpheus und die Jungfrau
von Orleans — suchen im Geist und in der malerischen

JEAN VEBEK, SCHWURGERICHT

Form Fernliegendes mit Gegenwärtigem zu vereinen,
naive florentinische Idealmalerei mit den Impressionen
der Pariser Seele und des Pariser Auges. Aus diesen
phantastischen Stilmischungen entsteht manchmal etwas
malerisch Reizvolles, ein zart verwehender, poetischer
Klang, der Ton tragischer Sehnsucht nach besseren,
idyllischen Welten; doch oft auch das Gegenteil: die
manieristische Erneuerung einer verbrauchten archa-
istischen Zeichensprache, seelenlose Gefässe zu Ehren
eines frischerfundenen Akademismus.

Denis leitet zu den „Unabhängigen" über, unter
denen er — der Mann zweier Lager — nach wie vor
ausstellt, obwohl er innerlich längst von ihnen abgefallen
ist. Diese Unabhängigen werden in der Nähe erst wieder
zu betrachten sein, wenn ihre breit und seicht aus-
ladende Organisa-
tion sich in den —
„Herbstsalon" ver-
einfacht haben wird.
Heuer nämlich ha-
ben ihre bevor-
zugten, vorwärts-
treibenden Geister
vor der kompakten
Majorität der Mit-
läufer, Nachahmer
undDilettanten eine
Art Rückzug ange-
treten, oder sie
haben sich wenig-
stens nicht lebhaft
genug für ihre alte
Herzensangelegen-
heit interessiert. In
drei Sälchen ver-
schanzt sich die
Elite gegen jene
Völkerwanderung
der wilden oder
zahmen oder falschen Revolutionäre. Die Kerntruppe
der Gründer, die Pointillisten, sind fast vollzählig bei-
sammen geblieben; Jahr für Jahr suchen dieselben Na-
men auf fast denselben Bildern dieselbe Doktrin dem
Publikum begreiflich zu machen. Othon Friesz aber,
der eben erst in erfolgreicher Sonderausstellung einen
anregungsreichen Überblick über das Werk seines jungen
Lebens und zielsicheren Strebens geboten hat (bei
Druet), hat das Glück, auch im „Salon" mit einer zeich-
nerisch wie malerisch gleich starken, ausdrucksschönen
Dekoration „Adam und Eva" der Mittelpunkt zu sein;
dagegen tritt selbst Henri Matisses „Tulpenjungfrau"
zurück, eine etwas leichtherzig und mit billigen Mitteln
hingemalte Arbeit. Jean Puy wendet sich, nach erlang-
ter Formreife, wieder der pleinairistischen Studie zu:
seine in ungebrochener Helle geschmackvoll gemalten
Mädchenfiguren sind eine weisse, leuchtende Augen-

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