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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 4
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Corinth, Lovis: Schmidt-Reute
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0234

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LUDW. SCIIMIOT-KEUTE, AKTE

SCHMIDT-REUTE

VON

LOVIS CORINTH

Jahrelang geistig umnachtet, ist jetzt Schmidt-Reute
seinem traurigen Dasein durch den Tod entrückt. Ich
war mit ihm im Jahre 1880 zusammen in der Loeffz-
schule, wo er trotz seiner grossen Jugend von Lehrer
und Mitschülern als ein sehr begabter Mensch, dem
eine künstlerische Zukunft gewiß war, geschätzt wurde.
Er war zu jener Zeit siebzehnjährig, ein derber Bauern-
bursche mit knochigen langen Gliedern und strohblon-
dem Haar; gebürtig war er aus dem Ort Reute in
Tirol an der bayrischen Grenze. Bei der alljährlichen
Konkurrenz, wo ein Thema aus den Befreiungskriegen
gewählt werden sollte, gewann er einen Preis durch
eine farbig wirksam gemalte Skizze. Überhaupt war
ihm der malerische Sinn am meisten angeboren. Das
zeigte sich auch in dem einzigen Ölbilde, das ich dann
später, etwa 1890, im Glaspalast in München von ihm
gesehen habe. Es stellte Kinder mit Äpfeln dar. Es
war die Zeit, wo München im Zeichen der Schotten

— der Schottenhammelei, wie einzelne in Selbstpersi-
flage die Epoche nannten — lebte, und solche Motive
waren besonders bevorzugt. Er war bereits zu der Zeit
mit Conrad Eehr, ebenfalls einem unserer Mitschüler,
Lehrer an einer sehr besuchten Privatmalschule, und in
dem Lehrfache ist wohl auch sein hauptsächlichster
Wert für uns zu suchen. Er war besonders geschätzt
als Lehrer im Aktzeichnen; hier hob er das Formale
hervor und gewöhnte seine Schüler an eine strenge
methodische Disziplin, wobei lediglich das Organische
und Konstruktive unter jeder Unterdrückung kalligra-
phischer Virtuosität geübt wurde. Neben diesem Unter-
richt gab er auch anatomische Vorlesungen, was direkt
bewundernswert war, da er ein Mensch ohne sogenannte
höhere Schulbildung war. Dennoch verstand er seinen
Zuhörern das Wesen der Anatomie gleich dem bere-
detsten Professor klar zu machen und oft nahm er aus
der Küche seiner Stammkneipe Kalbshaxen und andere

zzz
 
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