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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Scheffler, Karl: Goethes Zeichnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0080

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GOETHE, SCHILLERS GARTEN IN JENA. l8lO

folgen, die Goethe selbst, nachdrücklich fordernd, auf-
zustellen liebte. Zeichnend war der Vielseitige bei
weitem unbefangener, als wenn er über Kunst dachte;
vor der Natur folgte er den Intentionen seines lebendig
unmittelbar empfindenden Auges. Als dilettierender
Maler hat Goethe eigentlich zeitlebens etwas von der
Jugendfrische seiner Wertherzeit bewahrt, in der er
dieses schrieb: ,, . . . Das bestärkte mich in meinem
Vorsatz, mich künftig allein an die Natur zu halten.
Sie allein ist unendlich reich und sie allein bildet
den grossen Künstler. Man kann zum Vorteil der
Regeln viel sagen, ungefähr was man zum Lobe der
bürgerlichen Gesellschaft sagen kann. Ein Mensch,
der sich nach ihnen bildet, wird nie etwas Abge-
schmacktes und Schlechtes hervorbringen, wie einer,
der sich durch Gesetze und Wohlstand modeln lässt,
nie ein unerträglicher Nachbar, nie ein merkwürdiger
Bösewicht werden kann; dagegen wird aber auch alle
Regel, man rede was man wolle, das wahre Gefühl von

Natur und den wahren Ausdruck derselben zer-
stören".

Dass Goethe als Zeichner keine griechisch hohen An-
sprüche an sich stellte, dass er in der Enge blieb, ein
Niederländer, ein Realist: das hat ihn unbefangen der
Natur gegenüber erhalten und die merkwürdigen Re-
sultate gezeitigt, die wir vor uns sehen. Viele davon
sind ja ganz dilettantisch, Manches ist konventionell
und Einiges sogar manieriert. Auch sieht man den
Zeichner Goethe sehr häufig in subalterner Abhängig-
keit von seiner Zeit mit deutlicher Grundsätzlichkeit
beharren. In allen Perioden begegnet man aber auch
Blättern, die heute, nachdem sich die Malerei um hun-
dert Jahre weiter entwickelt hat, merkwürdig modern
anmuten. Sie sind Zeugnisse, dass eine grosse Menschen-
natur durch Alles hindurchblickt, was sie immer beeinnt
und dass Goethe vielleicht der erste Deutsche war, der
die Natur absolut voraussetzungslos anzuschauen ver-
mochte. Zuerst als Mensch, als Poet und Forscher;

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GOETHE, FELSEN BEI BILIN.



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