unserer Büste und die besten Beweise für ihre
Echtheit.
Die Büste tauchte in London auf im Anfang
dieses Jahres, als sie der bekannte Antiquar Murray
Marks von der Firma Durlacher Bros, von Speers er-
warb, der sie im Kunsthandel in Southampton
aufgetrieben hatte. Bald darauf wurde sie im Mai-
heft des „Burlington Magazine" von der Redaktion
dieser ersten englischen Kunstzeitschrift veröffent-
licht und als Werk aus dem Kreise Leonardos mit
den Nachbildungen eines der Kartons des Meisters
für seine Gioconda zusammengestellt. Niemand
hat die Büste, nach den verschiedenen trefflichen
Abbildungen oder vor dem Original bezweifelt,
weder in London noch hier in Berlin, nachdem sie
im August, unter begeisterter Zustimmung der Sach-
verständigen der Abteilung, von mir für unser
Museum erworben war. Anfang Oktober ge-
langte sie im Kaiser-Friedrich-Museum zur Auf-
stellung und wurde vom Publikum wie von den
Zeitungen ohne jeden Skrupel, ja sehr beifällig auf-
genommen, während die englischen Blätter laut über
diesen neuen Raub klagten, der am englischen
Kunstbesitz begangen sei. Da brachten die „Times"
am 23. Oktober die lange Zuschrift eines Mr.
Cooksey in Southampton, der ausführlich darlegte,
die Büste sei ein modernes Fabrikat; ein Wachs-
bildner Richard Code Lucas in Southampton habe
sie im Jahre 1846 für den Kunsthändler Buchanan
nach einem Florabild von Leonardo in dessen Be-
sitz angefertigt, wie der noch lebende Sohn
Albrecht Dürer Lucas in Southampton, der daran
mitgeholfen habe, bezeuge; nach des alten Lucas
Tode habe sich die Büste im Kunsthandel in Sout-
hampton herumgetrieben, wo sie regelmässig mit
wenigen Schillingen bezahlt worden sei, bis sie
schliesslich 1907 um einen nicht viel höheren Preis an
einen Antiquar in London verkauft worden sei.
Das klang so überzeugend, dass alle Welt diese An-
gaben ebenso unbedacht glaubte und wiedergab,
wie sie die „Times" aufgenommen hatten. Nach dem
Grundsatz, dass die reinste Freude die Schadenfreude
ist, verbreiteten Kollegen im Ausland die Nachricht
über diesen „deutschen Tiara des Seitaphernes" in
allen Zeitungen und wiederholten und wiederholen
noch immer mit mitleidigen Seitenhieben auf mich
die täglich in der „Times" und der „Daily Mail" ver-
öffentlichten Zuschriften der Antiquare, Köchinnen
und anderer Kunstverständiger von Southhampton.
Die deutschen Kollegen hielten sich vorsichtig
zurück, rieben sich aber stillvergnügt die
Hände, und überliessen es den „Sachverständigen"
gewisser Berliner Zeitungen, die englischen Zu-
schriften in gehässiger Weise auszubeuten, „nicht
aus Feindschaft, sondern in ehrlicher Gegner-
schaft"! —
Wer ist denn dieser Mr. Cooksey, und wie
sieht es mit seinen Gründen aus? Herr Cooksey
ist ein kleiner Auktionator und Antiquar in Sout-
hampton, der seit der Versteigerung des Lucasschen
Besitzes den Laden voll Wachsarbeit dieses „Meisters"
hat. Diese Tatsache hätte die „Times" seiner Zu-
schrift gegenüber etwas vorsichtig machen sollen.
Aber seine Gründe: „Die Büste habe sich jahrelang
um einen Spottpreis in Southampton im Handel
herumgetrieben"! Nun, das erinnert mich an ein
Erlebnis mit Jan van Eycks reizender „Madonna in
der Kirche", die wir 1 874 mit der Sammlung Suer-
mondt erwarben. Das kleine Bild wurde bald nach
seiner Aufstellung der Galerie gestohlen; monate-
lang war es verschwunden, bis es unverhofft von
einem Handwerker wiedergebracht wurde. Der Dieb
hatte es vergeblich bei Händlern anzubringen ge-
sucht; schliesslich wanderte er in kleinen Kneipen
damit herum, wo es ihm mit Mühe und Not gelang,
das Bild zusammen mit einer unzüchtigen Photo-
graphie für 75 Pfennig an den Kneipwirt zu ver-
kaufen. Diesen gereute aber der Kauf bei näherer
Besichtigung; er behielt die Photographie für
50 Pfennige und verkaufte den Jan van Eyck um
25 Pfennige weiter an einen gerade anwesenden
Gast, der später zufällig durch öffentliche Anschläge
darauf aufmerksam gemacht wurde, welchen Schatz
er gekauft hatte. In ähnlichen Kennerkreisen scheint
sich unsere Büste in jenen Jahren in Southampton
herumgetrieben zu haben!
Aber Cooksey brachte doch noch sehr viel
schwerwiegendere Gründe für die Autorschaft des
alten Lucas vor: da ist die Photographie, die er
selbst nach der Büste machte, während er daran
arbeitete, da ist das „Bild Leonardos", nachdem
ihm die Anfertigung der Büste in Auftrag gegeben
wurde, und der Sohn und ein Mitschüler bezeugen,
dass sie ihn daran arbeiten sahen! Das ist zum
Teil gewiss richtig, aber es beweist nichts für
Lucas' Autorschaft, bestätigt vielmehr unsere An-
sicht, dass die Büste alt und von Lucas nur restau-
riert worden ist. Die genauere Untersuchung
der Photographie und ihr Vergleich mit der
Büste ergibt nämlich, dass jene nicht nach
unserer Büste gemacht sein kann, sondern nach
einer Nachbildung, wahrscheinlich einem zu-
165
Echtheit.
Die Büste tauchte in London auf im Anfang
dieses Jahres, als sie der bekannte Antiquar Murray
Marks von der Firma Durlacher Bros, von Speers er-
warb, der sie im Kunsthandel in Southampton
aufgetrieben hatte. Bald darauf wurde sie im Mai-
heft des „Burlington Magazine" von der Redaktion
dieser ersten englischen Kunstzeitschrift veröffent-
licht und als Werk aus dem Kreise Leonardos mit
den Nachbildungen eines der Kartons des Meisters
für seine Gioconda zusammengestellt. Niemand
hat die Büste, nach den verschiedenen trefflichen
Abbildungen oder vor dem Original bezweifelt,
weder in London noch hier in Berlin, nachdem sie
im August, unter begeisterter Zustimmung der Sach-
verständigen der Abteilung, von mir für unser
Museum erworben war. Anfang Oktober ge-
langte sie im Kaiser-Friedrich-Museum zur Auf-
stellung und wurde vom Publikum wie von den
Zeitungen ohne jeden Skrupel, ja sehr beifällig auf-
genommen, während die englischen Blätter laut über
diesen neuen Raub klagten, der am englischen
Kunstbesitz begangen sei. Da brachten die „Times"
am 23. Oktober die lange Zuschrift eines Mr.
Cooksey in Southampton, der ausführlich darlegte,
die Büste sei ein modernes Fabrikat; ein Wachs-
bildner Richard Code Lucas in Southampton habe
sie im Jahre 1846 für den Kunsthändler Buchanan
nach einem Florabild von Leonardo in dessen Be-
sitz angefertigt, wie der noch lebende Sohn
Albrecht Dürer Lucas in Southampton, der daran
mitgeholfen habe, bezeuge; nach des alten Lucas
Tode habe sich die Büste im Kunsthandel in Sout-
hampton herumgetrieben, wo sie regelmässig mit
wenigen Schillingen bezahlt worden sei, bis sie
schliesslich 1907 um einen nicht viel höheren Preis an
einen Antiquar in London verkauft worden sei.
Das klang so überzeugend, dass alle Welt diese An-
gaben ebenso unbedacht glaubte und wiedergab,
wie sie die „Times" aufgenommen hatten. Nach dem
Grundsatz, dass die reinste Freude die Schadenfreude
ist, verbreiteten Kollegen im Ausland die Nachricht
über diesen „deutschen Tiara des Seitaphernes" in
allen Zeitungen und wiederholten und wiederholen
noch immer mit mitleidigen Seitenhieben auf mich
die täglich in der „Times" und der „Daily Mail" ver-
öffentlichten Zuschriften der Antiquare, Köchinnen
und anderer Kunstverständiger von Southhampton.
Die deutschen Kollegen hielten sich vorsichtig
zurück, rieben sich aber stillvergnügt die
Hände, und überliessen es den „Sachverständigen"
gewisser Berliner Zeitungen, die englischen Zu-
schriften in gehässiger Weise auszubeuten, „nicht
aus Feindschaft, sondern in ehrlicher Gegner-
schaft"! —
Wer ist denn dieser Mr. Cooksey, und wie
sieht es mit seinen Gründen aus? Herr Cooksey
ist ein kleiner Auktionator und Antiquar in Sout-
hampton, der seit der Versteigerung des Lucasschen
Besitzes den Laden voll Wachsarbeit dieses „Meisters"
hat. Diese Tatsache hätte die „Times" seiner Zu-
schrift gegenüber etwas vorsichtig machen sollen.
Aber seine Gründe: „Die Büste habe sich jahrelang
um einen Spottpreis in Southampton im Handel
herumgetrieben"! Nun, das erinnert mich an ein
Erlebnis mit Jan van Eycks reizender „Madonna in
der Kirche", die wir 1 874 mit der Sammlung Suer-
mondt erwarben. Das kleine Bild wurde bald nach
seiner Aufstellung der Galerie gestohlen; monate-
lang war es verschwunden, bis es unverhofft von
einem Handwerker wiedergebracht wurde. Der Dieb
hatte es vergeblich bei Händlern anzubringen ge-
sucht; schliesslich wanderte er in kleinen Kneipen
damit herum, wo es ihm mit Mühe und Not gelang,
das Bild zusammen mit einer unzüchtigen Photo-
graphie für 75 Pfennig an den Kneipwirt zu ver-
kaufen. Diesen gereute aber der Kauf bei näherer
Besichtigung; er behielt die Photographie für
50 Pfennige und verkaufte den Jan van Eyck um
25 Pfennige weiter an einen gerade anwesenden
Gast, der später zufällig durch öffentliche Anschläge
darauf aufmerksam gemacht wurde, welchen Schatz
er gekauft hatte. In ähnlichen Kennerkreisen scheint
sich unsere Büste in jenen Jahren in Southampton
herumgetrieben zu haben!
Aber Cooksey brachte doch noch sehr viel
schwerwiegendere Gründe für die Autorschaft des
alten Lucas vor: da ist die Photographie, die er
selbst nach der Büste machte, während er daran
arbeitete, da ist das „Bild Leonardos", nachdem
ihm die Anfertigung der Büste in Auftrag gegeben
wurde, und der Sohn und ein Mitschüler bezeugen,
dass sie ihn daran arbeiten sahen! Das ist zum
Teil gewiss richtig, aber es beweist nichts für
Lucas' Autorschaft, bestätigt vielmehr unsere An-
sicht, dass die Büste alt und von Lucas nur restau-
riert worden ist. Die genauere Untersuchung
der Photographie und ihr Vergleich mit der
Büste ergibt nämlich, dass jene nicht nach
unserer Büste gemacht sein kann, sondern nach
einer Nachbildung, wahrscheinlich einem zu-
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