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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 4
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Koetschau, Karl: Tiefurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0212

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verständiger Arbeit von dem Oberhofmarschall
Grafen Oskar von Wedel wieder in den Zustand
versetzt, den es bei ihren Lebzeiten gehabt hatte,
und stellte sich nun — für Weimar und jene Zeit
passt gar kein anderes Wort — als ein Bijou der
Stadt dar, da es, wie die Verhältnisse dort noch
vor kurzem lagen, allein ein wahrheitsgetreues Ab-
bild der grossen Zeit gab. Nun ist auch, gerade
vor Jahresfrist, der Sommersitz, den die Fürstin
seit 178 i inne hatte, ihr wiedergegeben worden,
ist ihr heiterer, freier Geist wieder da eingezogen,
woraus er von der dumpfigen, stauberfüllten Luft
der Raritätenkammer, zu der man das bescheidene
Schlösschen gemacht hatte, vor Jahrzehnten ver-
scheucht worden war.

Es war mir eine Herzensangelegenheit, nach-
dem ich versucht hatte, aus dem Goethe-National-
museum wieder ein Goethe-Haus zu machen, auch
hier noch, um das Bild vergangener Zeiten abzu-
runden, Wandel zu schaffen, ehe ich Weimar ver-
liess. Dass ich bei meinen Vorschlägen des Ver-
ständnisses des jungen Fürsten und des seiner
Beamten, dessen Obhut Tiefurt anvertraut ist, des
Oberhofmarschalls Freiherrn von Fritsch, der im
Verlauf der Arbeit zu einem freudigen Helfer
wurde, mich versichert halten durfte, daran er-
innere ich mich dankbaren Sinnes. Denn es galt
zu zerstören, was ein Fürst aufgebaut hatte. Karl
Friedrich nämlich, an geistiger Kraft weit hinter
seinem Vater Karl August zurückstehend, zog sich
gern nach dem verlassenen, stillen Tiefurt zurück,
um dort Alles, was er als eifriger, aber wahlloser
Sammler zusammenzuhäufen gewusst hatte, mit
eigener Hand aufzubauen. Sein Ideal war das
Raritätenkabinet, in dem die Fülle und die Ver-
schiedenheit der Gegenstände den Besucher gefangen
nimmt, und in dessen Ecken und Winkeln das Rätsel
romantischer Dämmerung sich eingenistethat. Gutes
und Schlechtes hing und stand so dicht neben ein-
ander, dass man, namentlich in den von Karl Fried-
rich erst eingebauten Kabineten und Kabinetchen
des Dachgeschosses, kaum sich bewegen durfte,
wenn man Schaden anzurichten vermeiden wollte.
Die Vorstellung der Bewohnbarkeit dieser Räume
konnte bei Denen, die sie betraten, gar nicht mehr
aufkommen; niemand vermochte sich hier noch
die bewegliche, heitere, bisweilen auch ausgelassene
Gesellschaft zu denken, die in sommerlicher Lust
um die lebensfrohe Fürstin sich scharte, niemand
jenen gedankenvollen Kreis, der im „Journal von
Tiefurt" manches Zeugnis davon uns hinterlassen

hat, welche „bedeutenden Zustände" jene Menschen
durchlebten.

Nun ist Vieles von dem, was die Glanzzeit
Tiefurts verwischt hatte, in die Rumpelkammer
gewandert. Nicht Weniges, namentlich treffliche
und seltene Beispiele englischer Schabkunst und ein
reicher Schatz Meissner Porzellans sind dem Museum
übergeben worden. Manches aber ist am Orte ge-
blieben, von dem sich feststellen liess, dass es sich
schon zu Amaliens Zeit dort befunden hatte, oder
von dem, wenn die spärlichen Akten versagten,
wenigstens angenommen werden konnte, dass es
von ihr gebraucht worden sei. So kennen wir z. B.
ihre Wertschätzung der Kunst Angelika Kauffmanns,
und deshalb wurden zahlreiche Stiche nach Werken
ihrer Hand zur Ausschmückung der Zimmer ver-
wandt. Wir wissen, welche nachhaltigen Wir-
kungen die italienische Reise auf die kunstfreund-
liche Fürstin hatte, und so sind zahlreiche Erinne-
rungsblätter und eine lange Reihe in Öl gemalter
Veduten, die geraume Zeit auf Schloss Ettersburg
vergessen waren, nunmehr in Tiefurt vereint worden.
Ihr Spinett, ihre Leier sind da wieder aufgestellt,
wo ihnen einst die gern komponierende Fürstin
in der Stille einsamer Sommertage Klänge entlockt
haben mochte, wie sie sie ähnlich bei Metastasio
oder einem der verwandten Maestri der Zeit
kennen gelernt hatte. Da aber trotzdem noch hie
und da störende Lücken vorhanden waren, mussten
zur Ergänzung Möbel und Geräte aus den reichen
Vorräten der grossherzoglichen Schlösser herbei-
geschafft werden, die in die Lebenszeit Anna
Amal'us, besonders in deren zweite Hälfte stilistisch
sich einfügen. Ich hoffe, dass trotzdem das Ge-
samtbild nicht an Echtheit verloren hat. Wer der-
artige Arbeiten übernimmt, wird sie nie ganz ohne
Ergänzungen ausführen können. Sorgfältiges Ab-
wägen und fleissiges Studium der Zeitkultur kann
aber über die Schwierigkeiten hinweghelfen. Natür-
lich kann ich, zum Beispiel, nicht eidlich erhärten, ob
die Möbel gerade genau mit denselben Bezügen
versehen waren, die sie jetzt tragen, aber dass Anna
Amalia schwarzen und braunen Moire in Tiefurt
hatte verwenden lassen, ging aus einem frühen
Inventar hervor. Und ebenso wenig kann ich be-
weisen, dass sie Fürstenberger Porzellan besonders
gern auf ihrem Tische gesehen hat; aber da sie
eine Braunschweigische Prinzess war, habe ich alles,
was ich an Erzeugnissen dieser Fabrik im gross-
herzoglichen Besitz noch vorfand, hier vereinigt,
und ihnen nur noch wenige Stücke aus der Manu-

zoo
 
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