"Drüssel. — Die Frage der Beschickung der Weltaus-
Stellung von 1910 durch diedeutschen Künstler scheint,
gutem Vernehmennach, in negativem Sinne entschieden
zu sein. Schon im März war zu melden, dass die gesamte
Kunstausstellung nicht auf dem Terrain stattfinden würde,
auf dem alle übrigen Zweige installiert werden, sondern
in einem neu zu bauenden Flügel des Cinquantenaire-
Museums. In diesem soll gleichzeitig mit den modernen
Arbeiten, wenn
auch räumlich ge-
trennt, eine retro-
spektive Ausstel-
lung von hervor-
ragenden Werken
der flämischen
Kunst des 17. Jahr-
hunderts gezeigt
werden, denen sich
auch einige Glanz-
stücke verstorbe-
ner belgischer mo-
derner Bildhauer
zugesellen wer-
den, wie das voll-
ständige „Denk-
mal der Arbeit"
von Meunier, „die
menschlichen Lei-
denschaften" von
Jef. Lambeauxu.a.
Nun haben die
belgischen Künst-
ler versucht, gegen
diese Anordnung
Stellung zu neh-
men, weil sie in
der Verlegung der
Kunstabteilung
nach einem andern
Stadtteil eine Be-
einträchtigung ih-
rer Interessen er-
blicken; jedoch
ohne Erfolg. Die
ausländischen
Künstler können
allerdings nicht ge-
nötigt werden, ihre Arbeiten im Cinquantenaire zu
zeigen und dürften, da auf dem ihren Ländern auf
dem Gelände der Weltausstellung zugewiesenen Platz
kaum noch Raum für sie sein dürfte auf eine Be-
schickung überhaupt verzichten. Ob dies ratsam ist,
nachdem die deutsche Kunstausstellung in Lüttich schon
nicht besonders abgeschnittten hat, angesichts des Um-
standes, dass Belgien selbst alles aufbieten wird, um
sich gut zu präsentieren und Frankreich mit vollem
CHARLES CAMOIN, DAME IN GRAU
Aplomb auftreten wird, müssen die deutschen Künstler
selbst entscheiden. Zu wünschen wäre natürlich, dass sie
durch eine Auswahl vollgültiger Arbeiten den Besuchern
der nächstjährigen Ausstellung Respekt vor der deut-
schen Leistungsfähigkeit beibringen, den sie verdienen.
Die von einem süddeutschen Blatt aufgestellte Be-
hauptung, die Räume des Cinquantenaire wären noch
feucht, ist nicht stichhaltig. Die Mauern sind in Granit
und Eisen aus-
geführt; zwischen
ihnen und den
aufzuhängenden
Gemälden bleibt
einZwischenraum,
der noch durch
starke Draperien
gefüttert ist, so
daß absolut keine
Rede von Feuch-
tigkeit sein kann.
Ein andrer Grund,
der für die Nicht-
beschickung der
Ausstellung sei-
tens Deutschlands
ins Treffen geführt
wird, ist die Inter-
nationale Kunst-
ausstellung in Rom
1911 , für die
Preise in Höhe von
'200000 Francs
ausgeworfen sind
und wo die Betei-
ligung der deut-
schen Künstler-
schaft wichtiger
und verlockender
erscheinen soll, als
in Brüssel. Dem-
gegenüber darf
man wohl fragen,
ob die deutsche
Produktion nicht
groß genug ist, um
genügendes Mate-
rial für beide Aus-
stellungen herbeizuschaffen. Das Ausland ist vielfach
noch in Unkenntnis über die Leistungsfähigkeit Deutsch-
lands und über die technischen und intellektuellen Fort-
schritte, die es im Laufe der letzten Jahrzehnte ge-
macht hat. Es soll deshalb von ihm nicht gesagt wer-
den können, daß es ohne Grund ferngeblieben ist.
M.
Wenn, nach dem hier Gesagten, die deutsche bil-
dende Kunst kaum vertreten sein wird, so ist es doch
AUSGEST. IM PARISER HERUSTSALON
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Stellung von 1910 durch diedeutschen Künstler scheint,
gutem Vernehmennach, in negativem Sinne entschieden
zu sein. Schon im März war zu melden, dass die gesamte
Kunstausstellung nicht auf dem Terrain stattfinden würde,
auf dem alle übrigen Zweige installiert werden, sondern
in einem neu zu bauenden Flügel des Cinquantenaire-
Museums. In diesem soll gleichzeitig mit den modernen
Arbeiten, wenn
auch räumlich ge-
trennt, eine retro-
spektive Ausstel-
lung von hervor-
ragenden Werken
der flämischen
Kunst des 17. Jahr-
hunderts gezeigt
werden, denen sich
auch einige Glanz-
stücke verstorbe-
ner belgischer mo-
derner Bildhauer
zugesellen wer-
den, wie das voll-
ständige „Denk-
mal der Arbeit"
von Meunier, „die
menschlichen Lei-
denschaften" von
Jef. Lambeauxu.a.
Nun haben die
belgischen Künst-
ler versucht, gegen
diese Anordnung
Stellung zu neh-
men, weil sie in
der Verlegung der
Kunstabteilung
nach einem andern
Stadtteil eine Be-
einträchtigung ih-
rer Interessen er-
blicken; jedoch
ohne Erfolg. Die
ausländischen
Künstler können
allerdings nicht ge-
nötigt werden, ihre Arbeiten im Cinquantenaire zu
zeigen und dürften, da auf dem ihren Ländern auf
dem Gelände der Weltausstellung zugewiesenen Platz
kaum noch Raum für sie sein dürfte auf eine Be-
schickung überhaupt verzichten. Ob dies ratsam ist,
nachdem die deutsche Kunstausstellung in Lüttich schon
nicht besonders abgeschnittten hat, angesichts des Um-
standes, dass Belgien selbst alles aufbieten wird, um
sich gut zu präsentieren und Frankreich mit vollem
CHARLES CAMOIN, DAME IN GRAU
Aplomb auftreten wird, müssen die deutschen Künstler
selbst entscheiden. Zu wünschen wäre natürlich, dass sie
durch eine Auswahl vollgültiger Arbeiten den Besuchern
der nächstjährigen Ausstellung Respekt vor der deut-
schen Leistungsfähigkeit beibringen, den sie verdienen.
Die von einem süddeutschen Blatt aufgestellte Be-
hauptung, die Räume des Cinquantenaire wären noch
feucht, ist nicht stichhaltig. Die Mauern sind in Granit
und Eisen aus-
geführt; zwischen
ihnen und den
aufzuhängenden
Gemälden bleibt
einZwischenraum,
der noch durch
starke Draperien
gefüttert ist, so
daß absolut keine
Rede von Feuch-
tigkeit sein kann.
Ein andrer Grund,
der für die Nicht-
beschickung der
Ausstellung sei-
tens Deutschlands
ins Treffen geführt
wird, ist die Inter-
nationale Kunst-
ausstellung in Rom
1911 , für die
Preise in Höhe von
'200000 Francs
ausgeworfen sind
und wo die Betei-
ligung der deut-
schen Künstler-
schaft wichtiger
und verlockender
erscheinen soll, als
in Brüssel. Dem-
gegenüber darf
man wohl fragen,
ob die deutsche
Produktion nicht
groß genug ist, um
genügendes Mate-
rial für beide Aus-
stellungen herbeizuschaffen. Das Ausland ist vielfach
noch in Unkenntnis über die Leistungsfähigkeit Deutsch-
lands und über die technischen und intellektuellen Fort-
schritte, die es im Laufe der letzten Jahrzehnte ge-
macht hat. Es soll deshalb von ihm nicht gesagt wer-
den können, daß es ohne Grund ferngeblieben ist.
M.
Wenn, nach dem hier Gesagten, die deutsche bil-
dende Kunst kaum vertreten sein wird, so ist es doch
AUSGEST. IM PARISER HERUSTSALON
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