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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 4
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0242

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CHRONIK

Ludwig Justi sehen wir sein neues Amt als Nach-
folger Hugo von Tschudis in durchaus abwartender
Haltung antreten. Ohne irgendwie schon berechtigte
Hoffnungen aber auch ohne jede Voreingenommenheit.
Die sprunghaft schnelleKarriere des kaum Vierunddreissig-
jährigen vom wissenschaftlichen Hilfsarbeiter undPrivat-
dozenten zum Direktor des Städelschen Instituts in Frank-
furt, zum Sekretär der Akademie derKünste und nun zum
Direktor der Nationalgalerie, eine Karriere, die von be-
deutenden Leistungen noch nicht begleitet wird, beweist
mancherlei für die behende Intelligenz Justis, für seine
rücksichtsloseWillenskraftundDiplomatenkunstund auch
für Das, was er demsuggestiven Klang seinesNamens ver-
dankt; sie spricht aber weder für, noch gegen die Befähi-
gung, ein NachfolgerHugo von Tschudis zu werden, wie
die Sache ihn fordert. DieSache fordert aber, dass das so
schön begonnene Werk vollendet werde. Es kann in
langsamerem Tempo geschehen, als die stürmische Un-
geduld Tschudis es angab; es kann vorsichtig und diplo-
matischer und ohne so passionierte Berücksichtigung der
französischen Kunst geschehen; das Prinzip Tschudis
aber, womit er eben jetzt in München wieder einen

neuen grossen Sieg vorbereiter, darf nicht aufgegeben
werden. Es erwartet den neuen Direktor vor allem die
Arbeit einer Reorganisation der Skulpturensammlung;
denn diese Sammlung bedarf dringend der Sichtung,
der Ergänzung und der Neuaufstellung. Justi findet
eine ganze Anzahl von Neuerwerbungen vor, die in dem
Interregnum, Gott weiss unter wessen Verantwortlichkeit,
gemacht worden sind. Er wird von diesen gleichgültigen
Dingen kaum etwas benutzen können; eine seiner ersten
Handlungen wird sein müssen, diese Reaktionsversuche
während der direktorlosen Zeit zu ignorieren. Er kann
es insofern besser als Hugo von Tschudi, und ist freien
als Dieser, weil inzwischen die Nationalgalerie aus dem
Verband der Generalverwaltung ausgeschieden und
direkt wieder dem Minister unterstellt worden ist. Und
da zudem nach jedem Gewitter allerorts Ruhebedürfnis
herrscht, so befindet sich Ludwig Justi, der sich auf die
Arbeit eines solchen Vorarbeiters stützen kann, eigentlich
in einer sehr günstigen Lage. Die nächsten Monate
schon werden zeigen, ob er die Gunst seiner Lage und
die Idealität seiner Arbeit begreift. K. S.

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