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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 6
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Friedländer, Max J.: Die französische Kunst des achtzehnten Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0311

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giebts ebenso viel davon) kommen kleinfigurige
Genrestücke,Küchinnen,Mägde, ergötzliche bürger-
liche Figuren, die meisten aus der Liechtenstein-
Galerie in Wien, und einige annähernd lebensgrosse
Genregestalten, die schönste dabei wohl der junge
Zeichner aus den kaiserlichen Schlössern.

Der Reiz liegt stets im Kolorit, das gewählt,
manchmal gesucht, sehr mannigfaltig und stets
wohlgefällig ist.
Ganz unfranzösische
HelldunkelefFekte
wechseln mit lich-
ten Harmonien. Nie
gesehene Farben-
kombinationen ent-
zücken den Be-
schauer, indes ihn
die liebenswürdige
Beschränktheit der
Motive, nach all
den Kunststücken
anderer Meister, be-
ruhigend umfängt.
Stoffliche, leben-
dige und originelle
Wirkungen erreicht
Chardin mit einem
Farbenauftrag, der
aus keiner französi-
schen Tradition
stammt. Er deckt
die Leinwand mit
pastoser Farbe un-
gleichmässig, mit
einer im Licht po-
rösen körnigen
Schicht. Eine lästige
Folge der persön-
lichen Malweise
Chardins ist der schlimme Zustand mancher seiner
Bilder. Gerade das grösste Bild, die Briefsieglerin
aus kaiserlichem Besitz, erscheint nicht gut erhalten.

Nur den Motiven nach, keineswegs aber in
Anbetracht der Malkunst, darf man Greuze, der
als Maler akademisch ist, als Nachfolger Char-
dins auffassen. Und schliesslich hat Greuze die Mo-
tive zwar gern der bürgerlichen Sphäre entnommen,
aber so mit Pathos versetzt und mit melodramati-
schen Effekten ausgestattet, dass es ein arges Miss-
verständnis der Zeitgenossen war, diesen falschen
Biedermann dem „frivolen" Maler der Louis XVI.-

DE LA TOUR, BILDNISSTUDIE, PASTELL

Periode Fragonard als Bild gesunder Tüchtigkeit
entgegenzustellen. Als Künstler ist Fragonard trotz
aller Kapriolen gesünder als Greuze. Auf der Aus-
stellung ist Greuze hauptsächlich als Porträtist
kennen zu lernen. Seine tüchtigen, aber wenig
eigenartigen Bildnisse erinnern an die Bildnisse der
Vigce. Damit gelangen wir in das Geleise starker
Traditionen. Man verfolge die Linie Lebrun,

Mignard, Rigaud,
Nattier, Vige'e,

David (dies sind
wohl dieNamen der
erfolgreichen, je-
weilig herrschen-
den Porträtisten)
und wir bemerken,
wie Glied in Glied
greift. David hatte
es nicht schwer,eine
neue französische
Akademie zu grün-
den, da die alte, sieht
man scharf zu, sich
im Wandel der Zei-
ten gehalten hatte.
David hat eigentlich
gar nichts geschaf-
fen, wenn er auch
ein kluger und tüch-
tiger Meister war.
Der Kunsthistoriker
glaubt, bei einem
weltgeschichtlichen
Ereignis wie die Re-
volution gewesen
ist, auch seinerseits
einen scharfen Strich
machen zu müssen.
Dieser Irrtum

kommt dem Maler Napoleons zugute. Nattier
malte müssige, weichliche Frauen, David streng
blickende Männer, muskulöse Römer. Dies der
Hauptunterschied.

Ein scharf geprägtes Profil zeigt von den Malern
der Louis XVI.-Periode nur Fragonard, der neue-
rungslustig aus Eitelkeit, konventionell in der Emp-
findung, geistsprühend und sicher im Handwerk-
lichen (also gewiss französisch) auf Watteaus und
Bouchers Gebiete der galanten Träume, Spiele und
Phantasien vor der Wahl stand, ausgetretene oder
krumme Wege zu gehen. Etwas krampfhaft in

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