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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 8
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Chronik / Neue Bücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0438

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Rembrandts Zeichnung „der unartige Knabe" im Ber-
liner Kupferstichkabinet, die Hofstede de Groot an-
zweifelt und hinter eine Pester Variante gestellt hat,
in derThat ein guter Rembrandt und dem Pester Blatt
vorzuziehen ist (J. Springer in Nr. 6 der amtlichen Be-
richte) — festzustellen, dass der Angriff auf Hugo von
Tschudi seitens einer kunstgewerblichen Monatsschrift
wegen einer Manipulation an einem Bilde von Rubens
recht töricht war; und endlich wurde es auch zu sagen
nötig, dass die Berliner Museumsverwaltung, entgegen
der Meinung einiger Kunstpolitiker, durchaus richtig
gehandelt hat, die nach dem Urteil aller wirklich Sach-
verständigen recht bedenkliche Sammlung chinesischer
Bilder, die Frau Wegener angeboten hatte und die nun
das British Museum in London erworben hat, nicht zu
kaufen. Daneben nimmt der Florastreit seinen Fortgang.
Von ihm wird, ach! zu seiner Zeit auch noch zu sprechen
sein. —

Da aber einmal von Fälschungen die Rede ist, mag
auch die folgende Briefstelle interessant genug sein, um
wieder ins Gedächtnis gerufen zu werden. Sie ist der
Teil eines Empfehlungsbriefes, den Goethe am 4. Juli
1817 (die Jahreszahl ist zu beachten) einer Demoiselle
Seidler an J. P. Langer d. Ä. in München mitgab und
dem das Heft 2 von „Kunst und Altertum", enthaltend
den Aufsatz „Neudeutsche religiös-patriotische Kunst"
beigeschlossen war.

„Beygehendes Heft widme ich Ew. Wohlgeboren be-
sonders, da ich überzeugt bin, dass Sie die Gesinnungen
der Weimarischen Kunstfreunde teilen. Es ist die höchste
Zeit, den Jammer dieser Seuche laut auszusprechen,
wenn man auch nicht sogleich sieht, wo die Heilung her-
kommen soll. Aus allem was deshalb seit der Zeit bei
mir einläuft, es sei billigend oder missbilligend, ver-
dammend oder schonend, sieht man durchaus, dass das
Übel viel weiter um sich gegriffen hat als man dachte.
Alle Arten von Stärken und Schwächen, Edles und
Jämmerliches, Talent und Nichtigkeit, Religion und
Aberglaube, frommer Wahn und Sinnlichkeit, das alles
zusammen bildet eine Societät, die vielleicht noch nicht
in der Welt gewesen ist. Mögen Sie mir von Ihren neu-
sten Erfahrungen mitteilen, so verbinden Sie mich sehr.
Wir möchten gern in diesem Sinne klar sein, wie sich's
im Augenblick verhält.

Junge, recht geschickte Künstler, die sich auf diesem
Wege geübt, verfertigen schon auf alte Breter alt-
scheinende Bilder, um weniger einsichtige Liebhaber zu
hintergehen. So bietet man gegenwärtig in Berlin zwei

Lucas (--------) von Leyden und einen Martin Schön zum

Verkauf. Was für eine Confusion in die Kunst-Kenntnis
und Praxis kommen muss, fällt in die Augen. Haben
Sie die Güte, mich von Ihrer Seite zu belehren, denn
das Nächste, was die Weimarischen Kunstfreunde äussern
dürften, müsste ins Leben kräftig eingreifen. Vorerst
treten doch ältere geprüfte Künstler und alle Bildhauer,
auch die jüngeren, auf die rechte Seite." K. S.

Dürers Horoskop.
Goethe beginnt die Dichtung seines Lebens mit dem
Abriss seines Horoskops. Er schildert die Lage der Pla-
neten im Augenblicke der Geburt und knüpft mit sonder-
barem Ernst sein Geschick, seine „Erhaltung" an die
Sterne. Noch wunderbarer in der Ordnung ihrer astro-
logischen Kräfte ist die Genitur Albrecht Dürers. Ge-
stellt wurde sie unter eigenen Umständen zuerst von
dem Mailänder Girolamo Cardano (15:01—76), der als
Mediziner, Mathematiker, Ethiker und Naturphilosoph
gleichermassen die Männer seiner Zeit überragte. Und
Dürer war kaum fünf Jahre tot, als Cardano 1533 in
seinen „Hundert Beispielen für Genituren" an letzter
Stelle das Horoskop des Malers veröffentlichte. Es lautet:
* 20. Mai 14.71, 22h ig'" nach Mittag.
Himmelshöhe: 10° V 0 ig° ^

Aszendens: io° £\ 1) 2;° ^

5 '7° tt
21 24° ft 9 20° \i

6 'f x t> +°y

Er war ein unerreichter Graphiker, auch literarisch hat
er die Denkwürdigkeiten seiner Kunst ausgeprägt. Es stand
der Mond mit Merkur und Sonne in Konjunktion und lag
zum Juppiter im Geviertschein; die Sonne aber stand bei
Venus und schaute im Sechstschein nach Mars. Venus, Sonne
und Mond lagen überdies an einer herrlichen Konstellation
von sechs Sternen, von welchen vier im Orion blitzen, zwei
im Wagenlenker. Drei davon sind erster Grösse, die übrigen
zweiter, und am ganzen Himmel findet sich kein wunder-
vollerer Platz; drum war auch diesen Sternen grösste Macht
gegeben, besonders den Planeten. Dass übrigens diese Kon-
stellation mehr auf die Malkunst deutet, denn auf die Schrift-
stellerei oder auf eine andere Kunst, das muss entweder aus
der Sondernatur der Gestirne oder aus der eigentümlichen
Beschaßenheit dieser Stellung abgeleitet werden. Dürer starb
im Jahre 1^28.

Wir können nicht ermessen, auf welchen Wegen
solche genaue Kunde von der Geburtsstunde Dürers zu
Cardano gelangte. Während zweierJahre, 1 524 und 1525,
studierte der junge Mediziner zu Padua, und wenn er
nach der Hauptstadt Venedig hinüberwanderte, mag er
wohl einmal in der kleinen Kirche S. Bartolomeo das ge-
rühmte Hauptwerk von Dürers zweitem italienischen
Aufenthalt betrachtet haben. Denn Dürer stand auf der
Höhe seines Weltruhms. Jedoch Cardano nennt ihn
Graphikus; und ausser ihm erwähnt er nirgends in seinen
Werken einen Maler, keinen von den grossen Italienern,
geschweige denn einen anderen. Vielleicht hat Cardano,
der die Porträtisten verspottete und die Hypnerotomachia
des Polifilo mit dem Golde verglich, die Schwarz-Weiss-
kunst geliebt und die Malerei verachtet. Aber seltsamer-
weise hat er dann die Spur des Menschen Dürer gerade
in einer Stadt gekreuzt, wo sich dieser, erfüllt von dem
Geiste Italiens, zur „Superiorität der Bildtafel vor dem
Blatt Papier" (Wölfflin) bekehrte.

Franz Ludwig Hörth.

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