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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 32.1933

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Bataille, Marie-Louise: Briefe Edouard Manets
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https://doi.org/10.11588/diglit.7617#0024

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Briefe Edouard Manets

von MARIE LOUISE BATAILLE

Unter den Künstlern seiner Zeit war Manet, aus Instinkt, am ausschließ-
lichsten von allen ein Maler. Seine starke, feurige Persönlichkeit sprach sich
spontan und naiv nur durch den Pinsel aus. Er, der die ästhetischen Gesetze
über den Haufen warf, war unter allen Malern der am wenigsten theoretische
und, sagen wir es getrost, der am wenigsten intellektuelle. In der Kunst
kannte er kein Schwanken und keine Skrupel; auch hat er niemals ein
„System" aufgebaut. Da andererseits seine Freude am Leben, seine reiche
und sinnliche Natur ihren Ausdruck ganz in der Malerei fanden, ist es
nicht zu verwundern, daß er nichts Schriftliches hinterlassen hat, das über
sein Denken und Fühlen Aufschluß geben könnte. Selbst seine Korrespondenz
ist in dieser Beziehung äußerst schweigsam. Manet schreibt seinen Freunden
nur — und zwar mit einer gewissen Lässigkeit — wenn ihn ein Ereignis
oder eine Notwendigkeit dazu treibt. Seine Briefe sind dann kurz, zurück-
haltend und beleuchten nur die Außenseite seines Lebens. Wer sie aber
so liest, daß er sie als Dokumente in den Rahmen der Geschichte des
Impressionismus einfügt, für den werden sie ein kostbarer Besitz. Die
Briefe, die wir hier vereinigt haben, sind in ihrer scheinbaren Banalität
besonders aufschlußreich.

Ein einziger Brief, der in Spanien im Jahr 1865 geschrieben und an den
Maler Fantin-Latour gerichtet ist, handelt von Kunst, und ist ein erstaun-
liches Zeugnis für Manets Genie. Im Jahre 1865 hatte er schon verschiedene
große Bilder, Lola de Valence, Camprubi, das spanische Ballett, den wunder-
baren toten Toreador und noch andere berühmte Bilder gemalt, deren
Sujets er nicht in Spanien gefunden hatte, die aber kraftvoll auf Velasquez
hinweisen, und dann die Olympia, die, wie oft gesagt worden ist, so
unmittelbar von Goya inspiriert ist. Nun sieht man aus diesem Brief an
Fantin-Latour, daß Manet erst bei seiner Ankunft in Spanien im Jahr 1865
Velasquez wirklich „entdeckte" und Goya, „der ihm nicht ausnehmend
gefällt", scheint er erst dort kennengelernt zu haben. Hätte Manet demnach
nur durch seinen Instinkt den Geist der spanischen Malerei erkannt? Dieses
hervorragende Dokument scheint seine ungewöhnliche Divinationsgabe zu
beweisen, die in Spanien gleichzeitig ihre Bestätigung und ihre Belohnung
findet.

Unter den darauffolgenden Briefen legen wir noch besonderen Wert
auf ein Schreiben aus dem Jahre 1879 an ^en Präfektcn des Seine-
Departements, dem er — leider vergeblich — ein großes Fresko-Gemälde
des modernen Lebens vorschlägt, dessen Ausführung ihm vorschwebte,

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