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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 32.1933

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Heft 6
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Berliner Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7617#0250

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Berliner Ausstellungen

Der Mai brachte viele Ausstellungen, offizielle und inoffizielle. Erquickung haben sie
nicht gespendet. Alle Veranstaltungen sind nun plötzlich sehr schüchtern geworden, alle
bekunden aufs äußerste Bravheit. In der Akademie bestimmen kirchliche, patriotische
Motive und kleinbürgerlich geglättete Formen den Eindruck, und in der Großen Berliner
Kunstausstellung ist die übliche Langweiligkeit wie zum Prinzip erhoben. Die Ausstellung
neuerer Norwegischer Kunst im Kronprinzenpalais — Per Krogh dominiert dort mit fresko-
artigen Bildern — steht zu sehr im Zeichen von Munch-Epigonen, als daß sie erfrischend
wirken könnte. Jüngere Frontkämpfer haben sich in einer „Gemeinschaft" zusammen-
gefunden und bei Dr. Günther Deneke ausgestellt; sie betonen aber so stark ihre Zeit-
gesinnung, daß sie darüber versäumen, das Talent genügend zu betonen. Walter Klemms
Bilder (bei Viktor Hartberg) interessierten; ist seine Begabung auch nicht ursprünglich,
wird sie auch mehr vom Kunstvorbild als von der Nutur erregt, so ist sie doch geistvoll
kultiviert. Eindruck machten einige Bilder Viktor Surbeks bei Neumann-Nierendorf, soweit
sie vom Naturerlebnis ausgehen; die reinen Phantasieprodukte dagegen berühren fast
den Kitsch. Ein Zeichen der Zeit ist es, daß Amsler und Ruthardt die Wiederauferstehung
Max Klingers (des „heroischen"!) glauben betreiben zu sollen.

Der Gesamteindruck bestätigt, daß das Feuer der Kunst nur noch eben weiterglimmt.
Seit die künstlich angefachte Flamme des Expressionismus nicht mehr flackert, ist die
Kunst ohne Elan. Ihr Geist ist in keiner Weise aktiv, und kann es auch nicht sein. Die
Kunst wartet ab, sie harret ihrer Stunde, die aufs neue Sicherheit der Empfindung bringt
und die auch wieder, neben der inneren, eine äußere Fülle ermöglicht. Denn ohne jene
Sinnlichkeit, die allein vom Nationalwohlstand erzeugt wird, kann die Malerei nun einmal
nicht gedeihen. Die Geschichte beweist es. Dieser natürliche Nährboden kann durch
weltanschauliches Ethos nicht ersetzt werden. Das wahre Ethos der Malerei wohnt
im Auge, es beruht auf jener Freude, die Gottfried Keller meinte, als er dichtete: „Trinkt,
o Augen, was die Wimper hält, von dem goldnen Überfluß der Welt"! Das Ethos der Malerei
zehrt von einem Überschuß an Lebenskraft, der auch eine soziale Macht ist — wenn er
in sozialistische Wunschträume auch leider nie einbezogen wird. Von diesem schönen
Überfluß ist heute kaum noch die Spur vorhanden. Darum erscheint die Kunst nicht mehr
wie eine Angelegenheit der Nation, der Zeit, der Menschheit, sondern wie eine viel-
gestaltige Privatangelegenheit.

Die deutsche Musik ging mit Richard Wagner vorläufig zu Ende, die deutsche Dichtung
mit Gottfried Keller, die deutsche Malerei mit Leibi und Liebermann. In den neunziger
Jahren war das Wesentliche getan; danach hörte die Kunst überall auf in einem höheren
Sinne gestaltend zu sein.

Seitdem macht der Acker der deutschen Kunst das durch, was der Landmann eine Brache
nennt. Das schadet nichts; jeder Acker will seine Ruhe. Doch schadet es, wenn solche
Zeichen der Zeit nicht verstanden werden.

Die Frühjahrsausstellung der „neu gegründeten" Berliner Secession war, als das Vor-
stehende geschrieben wurde, noch nicht eröffnet. Sie ist gut gemacht; besser als die ein
wenig konfuse Einleitung des Katalogs es erwarten läßt, aber auch nicht besser, als sie
in den vergangenen Jahren zu jeder Zeit hätte gemacht werden können. Jedenfalls ist
sie die beste unter den Frühjahrsausstellungen. K. Sch.
 
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