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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 32.1933

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Heft 1
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Technau, Werner: Archäologische Bemerkungen zur Mostra d'arte antica in Rom
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Scheffler, Karl: "Lebendige deutsche Kunst", [1]: Ausstellungsfolge in drei Abteilungen, veranstaltet von Paul Cassirer und Alfred Flechtheim, Erste Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7617#0040

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großen repräsentativen Werke: Porträts und Sarkophage, da die dritte große Gattung
der römischen Kunst, das architektonische Relief, zwar durch die soeben publizierten
Friese vom Severusbogen in Lepcis Zuwachs erfahren hat, aber doch nicht gut auf dieser
Ausstellung gezeigt werden konnte.

Ubermächtig die schonungslose naturalistische Objektivität der römischen Bildiiiskunst,
die sich öfters zu klassizistischer, monumentaler Allgemeinverbindlichkeit entfernt (Ko-
lossalkopf des Trajan und seiner Schwester Marciana), und doch immer wieder von der
ausdrucksvollen Physiognomik dieses italischen Bauernvolkes (Köpfe aus Sarsina und
Minturno) und des stadtrömischen Mischvolkes (Porträt aus Ostia) angezogen wird. Bis
schließlich das Gesicht maskenhaft erstarrt vor dem Anhauch östlichen Wesens, wie in
dem Matronenkopf aus Lepcis; auffallend gut gearbeitetes Werk aus konstantinischer
Zeit.

Andere große Welt römischer Bildgestaltung: die Sarkophage Griechischer Formcnscbatz
wird in römischer Räumlichkeit neu komponiert und dient so den Späteren zum klassi-
schen Muster: ein bacchischer Sarkophag, 2. Jahrhundert, farbig erhalten, dessen Figuren
dem Pisano vorgelegen haben könnten. Ein antoninischer Sarkophag, dessen Putten an
Donatello gemahnen. Und ein Schlachtsarkophag, in dessen malerisch-expressivem Relief-
stil der Caracallazeit zum letzten Mal hellenistische Tendenzen zur Geltung kommen,
während gleichzeitig dieser Stil über die spätantike Formerstarrung hinweg schon auf
den Formaufruhr mittelalterlicher Werke hinweist.

Hier treffen wir wieder auf das Problem der italischen Kunst. In schicksalhaft-notwen-
digem Wechsel vollzieht sie sich zwischen ewiger Renaissance und ewigem Barock, kehrt
nie mehr zu ihren Wurzeln, den vorgeschichtlichen Formen geometrischer Abstraktion,
nie mehr zu jener natürlichen Objektivität der römischen Porträtkunst zurück, sie bleibt
der einmal gebildeten Form verhaftet. Vergangenheit bekommt für sie gegenwärtige
Macht. Italien, das Land der ewigen Renaissancen, ist deshalb nur aus der Geschichte
zu verstehen.

„Lebendige deutsche Kunst"

Ausstellungsfolge in drei Abteilungen, veranstaltet von Paul Cassirer und Alfred Flecht-
heim. Erste Ausstellung.

Dr. Grete Ring (in Firma Paul Cassirer) geht in der Vorrede des Katalogs unter die Kri-
tiker. Mit gewetzter Feder und — berechtigten — Seitenhieben auf die Berufskritik. Jeder
Kunsthändler sein eigener Kritiker. Das wäre nicht einmal übel — denn Kunsthändler
machen sich nicht selten kluge, wohlotientierte Gedanken —, wenn alle Interessenpolitik
auszuschalten wäre. Diese begünstigt aber eine Zweckkritik; und so wird es nicht weniger
schief, als wenn kunstfremde Professionisten kritisieren. Grete Ring möchte den Kritikern
zeigen, wie es gemacht werden sollte; aber sie will zugleich eine Ausstellung als grund-
legend preisen, die es gar nichr sein kann. Im ersten Fall muß sie sehr frei sein, im zwei-
ten darf sie es nicht sein. So mißlingt auch dieser Reinigungsversuch, und es bleibt bei
dem alten Raimund-Vers: .Der eine schilt den andern dumm, am Lnd' weiß keiner
nix!"

Die Ausstellung ist sorgfältig gruppiert. Auch kommen die Bilder in den weitläufigen
Räumen gut zur Geltung. Im übrigen überzeugt die Veranstaltung weder mehr noch
weniger als viele ähnliche Ausstellungen des letzten Jahrzehnts. So viele Maler, so viele
,Stile". Freilich: „in meines Vaters Haus sind viele Wohnungen"; dieses Wort gilt aber

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