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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 32.1933

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Heft 4
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Scheffler, Karl: "Der Garten Daubignys"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7617#0155

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„Oer Garten Daubignys"

Im Februarheft des in Amsterdam erscheinenden „Maanblad voor Beeidende Künsten"
schreibt M. J. Schretlen über das viel genannte, angeblich letzte Bild van Goghs „Der
Garten Daubignys", im Berliner Kronprinzenpalais. Der Verfasser kommt zu dem Schluß,
daß das Bild nicht echt sein könne. Die Beweisführung ist nicht schlüssig, weil nur
Stilkritik (wenn auch gute) und Indizienbeweise gegeben werden können; um so beweis-
kräftiger wäre die Konfrontierung des Berliner Bildes mit dem unbezweifelten Original
der Sammlung R. Staechelin, Basel. M. J. Schretlen schreibt unter anderem:
„Man sieht auf diesem Bilde den bewußten Garten, der zum größten Teil (das ganze
Mittelstück) aus einem Kiesweg besteht, der, vorn breit, nach hinten schmal verlaufend,
an beiden Seiten durch Gebüsch abgeschlossen und vorn in der Mitte durch ein Rosen-
beet unterbrochen wird. Gleich dieser Kiesweg gibt auf beiden Bildern einen inter-
essanten Vergleichspunkt. Auf dem Schweizer Bild schafft er Raum und Tiefe, was auf
dem Berliner Bild nicht empfunden wird; dort ist er mit den charakteristischen kurzen
Strichen, aber sehr harmonisch und gleichmäßig in feinen, ineinander übergehenden
Farbtönen gemalt, hier besteht er nur aus einer verwirrten, unordentlichen Menge von
Strichen, die keinerlei Harmonie zeigen. Das Rosenbeet, das sich auf dem Schweizer
Bild, sehr lebendig und ausdrucksvoll gegen seine Umgebung abhebt, ein Eigenleben
hat und worin jeder Strich verantwortlich ist, läßt auf dem Berliner Bild alle diese
Eigenschaften vermissen: es geht hier mehr oder weniger in der Umgebung auf und ist
ein Gewirr von Strichen, worin die Art der Blumen und Pflanzen nicht zum Ausdruck
kommt.

Im Hintergrund steht links vom Weg eine Ganenbank mit einem Tisch und einigen
Stühlen. Man betrachte, wie sprechend diese Gruppe auf dem Schweizer Bild dasteht.
Besonders die Bank ist mit einigen Pinselstrichen in ihrer ganzen Form und in ihrem
Wesen ausgedrückt, ebenso Stühle und Tisch. Im Vergleich bietet das Berliner Bild einen
ärmlichen Anblick: wie schlapp sind die Stühle, wie ausdruckslos ist der dunkle Farb-
fleck, der eine Bank vorstellen soll. Die kleine Frauenfigur kommt auf dem Schweizer
Bild mit einer gewissen Energie angelaufen, auf dem andern steht sie zwecklos da, wie
eine Gliederpuppe. In derselben Bildecke fällt der Schmiß auf, womit der eigenwillig
gekrümmte Baum hinter der Bank, im scharfen Gegensatz zum dunkeln Hintergrund,
gemalt ist. Auf dem Berliner Bild sucht man auch hier vergebens die charakteristische
Kraft van Goghs . . .

w ie steht es nun mit den dokumentarischen Angaben, die uns zur Verfügung stehen':
Scherjon spricht auf Seite 131 seines Buches von der ersten Mitteilung, die Vincent über
dieses Bild gegeben hat. Sie steht in einem Brief vom 17. Juni 1890 (Nr. 642): »Ich
habe eine Idee, ein bedeutendes Bild vom Haus mit Ganen Daubignys zu machen,
von dem ich schon eine kleine Studie habe.. Auf Seite 140 reproduziert Scherjon unter
dem bewußten Bild die Auszüge von zweien der letzten Briefe, worin van Gogh über
dieses Bild schreibt, nämlich im Brief 649 (an seine Mutier): Das dritte Bild nun ist
der Garten von Daubigny, ein Bild, das mir im Sinne lag, seit ich hier bin« — und
aus Brief 651 (einige Tage später an seinen Bruder gerichtet, vom 23. Juli datiert):
»Vielleicht siehst du diese Zeichnung vom Garten Daubignys an, es ist eines von mei-
nen Bildern, mit dem ich am meisten ausdrücken wollte«. Man kann nun annehmen,
daß am 23. Juli 1890 nur ein Exemplar vom Garten Daubignys vorhanden war und eine
Vorstudie. Zwar hat Vincent widerholt Repliken von seinen Bildern gemacht, dann aber
auch meistens in einem seiner Briefe davon geschrieben, sicher dann, wenn er es für

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