Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 32.1933

DOI Heft:
Heft 1
DOI Artikel:
Scheffler, Karl: "Lebendige deutsche Kunst", [1]: Ausstellungsfolge in drei Abteilungen, veranstaltet von Paul Cassirer und Alfred Flechtheim, Erste Ausstellung
DOI Artikel:
Grossmann, Rudolf: C. G. Jung diagnostiziert Picasso
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7617#0042

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
nur für die Unsterblichen, nicht für Maler, denen der Himmel der Kunst verschlossen
bleiben wird. Im ewigen Hause der Kunst kann sich Raffael mit van Gogh vertragen;
Erscheinungen aber wie Klee, Kirchner, Feininger oder Kandinsky schließen mit ihren
Stilprogrammen einander aus, sie exmittieren sich gewissermaßen gegenseitig mit allein-
seligmachenden Doktrinen.

Kirchner nannte von je ein beträchtliches Talent sein eigen; doch hat er es in der Berg-
einsamkeit fanatisch mißleitet.

Feininger macht mit viel Geschick Trickbilder: Kaspar David Friedrich-Romantik, ben-
galisch beleuchtet und kubistisch geordnet, Gartenlaube mit Ismus. Seine Malerei kommt
dem entgegen, was im modernen, kollektivistisch eingestellten Menschen ewig kleinbürger-
lich ist.

Kandinskv hat sich von Paul Klee hypnotisieren lassen, und kommt damit langsam seinen
Anfangen — großstädtische Variationen über russische Volkskunst — wieder nahe.
Klee selbst vergrößert seine Formate. Die Industrie vergrößert sie noch mehr, indem
sie schon beginnt, Klee-Tapeten zu fabrizieren. Ein feiner und kluger Geist, dem der
schöne Klang, nicht die Melodie, dem der Aphorismus, nicht die Dichtung glückt.
In Schlemmer steckt ein Professor der Perspektive — als solcher hat er ja auch an
den Vereinigten Kunstschulen ein Amt bekommen —; aber es lebt ebenfalls ein Künstler
der Raumdichtung in ihm. Es fragt sich, wofür er sich entscheiden wird. Seine „Bau-
haustreppe" ist wie ein übertragenes Frührenaissancewerk, es enthält Lebendiges unter
starrer Verkrustung. Zwischen dem Raumleben und der Raumlehre geht er auf schmaler
Scheide dahin.

Otto Dix gerät immer peinlicher ins Sächsische. Man kann es kaum anders nennen. Un-
willkürlich denkt man vor dem kraftmeierischen „Selbstbildnis mit Söhncheu" an Greiner
und Zwintscher, an den Dichter des „Götz Kraft" und an Ideologien des „Dritten Reichs".
Wie sich in dem „Bildnis des Malers Kriegel, seine Frau malend" herbe zeichnerische
Modelltreue und süßlichste Romantik gegenüberstehen, so wohnen in Dixens Naturell
nebeneinander Tüchtigkeit und Lust am Kitsch.

Dieses alles soll nun also gesiebte „lebendige deutsche Kunst" sein. Ihr würde ich
lieber — ihrer Haltung wegen — die Bilder und Aquarelle von Purrmann zurechnen.
Eine Oase sinnlicherer Malerei inmitten der W üste Abstraktion. Gerade er aber, ein Hüter
lebendiger Tradition, gilt als Französling.

Und dann sind es Bildhauer, die mehr aus dem bedeutend Sinnlichen als aus der Idee
ihre künstlerischen Formen gewinnen: de Fiori und Renee Sintenis an erster Stelle.
Belling dagegen irrt auch teilweis ins Gedankliche und damit ins Kunstgewerbliche ab:
zwei Formen des Reliefs, das Konvexe und Konkave, beißen sich in seinem Relief-
bildnis, es will zugleich Patrize und Matrize sein.

Die Kunst hat es schwer in diesen Zeitläuften, der Kunsthandel hat es mit Ausstellungen
auch schwer, und die Kritik hat es nicht leicht. Alle Beteiligten sollten jeden Morgen
das Märchen von „Hans Großmaul" lesen und sich mit einem Hasen zufrieden geben,
statt hundert zu versprechen. K. Sch.

C. G. Jung diagnostiziert Picasso

von RUDOLF GROSSMANN

Der bekannte Psychiator Jung veröffentlichte, anläßlich der Züricher Picasso-Ausstellung,
in der Neuen Züricher Zeitung eine merkwürdige Analyse Picassos. Er betonte, seine

28
 
Annotationen