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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 32.1933

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Heft 2
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Ein Brief Renoirs an einen Freund
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https://doi.org/10.11588/diglit.7617#0092

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trunken und rot wie ein Hahn. Kurz, der Schüchterne, der sich vorwagt, geht immer
zu weit, trotzdem merke ich, daß ich ihm viel Vergnügen gemacht habe, wodurch weiß
ich nicht mehr. Er verabscheut die deutschen Juden und unter anderen Wolff. Er fragte
mich, ob man in Frankreich noch so viel von den „Krondiamanten" halte. Ich habe
über Meverbeer alles mögliche Schlechte gesagt, mit einem Wort, ich hatte Zeit, alle
nur denkbaren Dummheiten zu machen. Da sagte er plötzlich zu Herrn Joukovski: „wenn
ich mich in der Mittagsstunde wohl fühle, kann ich Ihnen bis zu meinem Frühstück
sitzen, Sie wissen, Sie müssen nachsichtig sein, ich werde aber tun, was ich kann, wenn
es nicht lange genug ist, kann ich nichts dafür. Herr Renoir, fragen Sie doch Herrn
Joukovski, ob es ihm recht ist, wenn Sie mich auch porträtieren, vorausgesetzt, daß es
ihn nicht stört." Joukovski sagte: aber wie können Sie denken, lieber Meister, ich wollte
Sie gerade darum bitten usw. usw. Wie wollen Sie das Bild machen? Ich sagte, en face.
Er sagte mir, daß sich das sehr gut treffe, ich werde mich mit dem Rücken gegen Sie stellen,
denn ich habe eine ganz fertige Komposition. Darauf sagte ihm Wagner: Sie werden
mich also malen und dabei Frankreich den Rücken drehen, und Herr Renoir wird mich
von der anderen Seite aufnehmen, Ah, Ah, Oh! . . .

Am darauffolgenden Tage war ich mittags dort, und alles übrige wissen Sie. Er war
sehr heiter, aber sehr nervös. Kurz, ich glaube, ich habe meine Zeit gut angewendet,
35 Minuten, das ist nicht viel, aber, wenn ich noch früher aufgehört hätte, wäre es
sehr schön geworden, denn mein Modell verlor schließlich etwas von seiner Heiterkeit
und wurde ein wenig steif. Ich habe diese Wandlung zu sehr mitgemacht, nun, Sie wer-
den ja selbst urteilen.

Schließlich wollte Wagner es sehen, er sagte Ah, Ah, ich sehe wie ein protestantischer
Prediger aus, was auch wahr ist. Alles in allem war ich sehr froh, daß ich nicht zu sehr
Fiasko gemacht habe: es ist doch immerhin eine kleine Erinnerung an diesen wunder-
baren Kopf.

Herzliche Grüße

Renoir.

Ich lese meinen Brief nicht noch mal durch, ich würde ihn wieder zerreißen, und das
wäre der fünfzehnte. Sollte etwas vergessen sein, so erzähle ich es Ihnen mündlich.

Er hat des öfteren wiederholt, daß die Franzosen zu viel Kunstkritiken lesen. Die Kunst-
kritiker, Ah, Ah, mit einem schallenden Gelächter. Die deutschen Juden! aber Herr
Renoir, ich weiß, daß es in Frankreich sehr nette Menschen gibt, die ich mit den deut-
schen Juden nicht in einen Topf werfe. Leider kann ich nicht die offenherzige Heiter-
keit schildern, die der Meister während des ganzen Gesprächs zur Schau trug.

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