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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 32.1933

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Heft 2
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Anekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7617#0094

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Im Atelier: „Soeben hat mir ein Amerikaner 25000 Franken für dieses Gemälde ge-
boten."

„Möglich, ich aber könnte Ihnen höchstens hundert Franken dafür geben."
„Nehmen Sie es, ... unsere Meisterwerke sollen Frankreich nicht verlassen

*

Um die Ausstattung eines Stückes zu vervollständigen, das am Theatre Gymnase, einige
Jahre vor dem Kriege, gespielt wurde, lieh Rodin einen seiner Gipsabgüsse aus Im Ver-
lauf der Spielzeit wurde dieser wertvolle Kunstgegenstand so sorgsam in acht genommen,
daß das von allen gefürchtete Unglück nicht eintrat. Aber am Tage nach der letzten
Aufführung erhielt Rodin von Herrn Alphonse Franck, dem Direktor des Theaters, fol-
genden Brief:

Teurer Meister, ach, leider ist das unvergleichliche Werk, das Sie die Güte hatten, uns
zu leihen, den Händen eines ungeschickten Gehilfen entglitten und ist zerbrochen. Ich
bin über dieses Mißgeschick tief betrübt, und ich bitte Sie, diu Freundlichkeit zu haben,
mir die Entschädigungssumme angeben zu wollen, die ich Ihnen schulde."
Rodin antwortete, daß er dieses Unglück vorausgesehen, seine Leihgabe aber so völlig
vergessen hätte, daß es ihm unmöglich wäre, die geringste Summe anzunehmen. Der
Brief endete mit den Worten: „Als ich sie Ihnen lieh, hatte ich Abschied von ihr ge-
nommen und sie Ihnen abgetreten."
Darauf gestand ihm Alphonse Franck:

„Dank, Meister; die Büste steht bei mir auf dem Ehrenplatz. Ich bewundere sie unge-
mein, wußte aber nicht, auf welche Weise ich Sie darum bitten sollte."

Welche Genugtuung würden für Cezanne die Preise sein, die seine Bilder jetzt bei
Auktionen erreichten, welche Genugtuung nach den bei seinen Lebzeiten erlittenen
Demütigungen! Die härteste Demütigung war für ihn vielleicht die, die ihm am Todes-
tag seines Vaters zugefügt wurde. Er hatte sich am Kopfende des Bettes aulgestellt
und begann die Skizze, als seine Frau ihm sagte:

„Laß das Paul, es ist jetzt nicht der Augenblick zu scherzen. Wenn wir die Züge Dei-
nes Vaters festhalten wollen, brauchen wir einen richtigen Maler."

#

Wölfflin sah einen jener Kulturfilme, die das langsame Wachsen einer Pflanze in wenige
Minuten zusammendrängen und das Autbrechen, Sichentfalten und Verblühen einer Blume
in dramatischer Kürze zeigen. Wölfflin erhob sich unwillig und sagte in seiner charak-
teristischen schweizer Sprechweise zu seinem Begleiter: „Das kann ich nicht ertragen —
diese eiligen Blumen!"

*

weiunddreißigstei Jahrgang, zweites Heft. Redaktionsschluß am :i.Januar, Ausgabe am 10. Februar 19} J.
Für die Redaktion verantwortlich: Karl Schettler, Berlin. Verlag Bruno Cassirer.
Gedruckt in der Offizin von Fr. Richter G.m.b.H., Leipzig.

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