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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 32.1933

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Heft 3
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Modersohn, Wilhelm: Wie beurteilen Juristen Bilderfälschungen?: Urteilsgründe der Berufungsinstanz im Wacker-Prozeß
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https://doi.org/10.11588/diglit.7617#0098

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Werkes van Goghs und seinen Schicksalen ergeben, und daß diese Tat-
sachen bei der Würdigung der Untersuchungsergebnisse nicht außer acht
gelassen werden dürfen.

Van Gogh hat in einem Zeitraum von drei bis vier Jahren eine Entwick-
lung im wahrsten Sinne des Wortes durchrast, zu der andere Meister ein
ganzes Leben gebraucht haben.

Er war von höchster Produktivität und hat in manchen Zeiten in zwei
Tagen durchschnittlich drei Gemälde gemalt. In seiner Technik hat er
dabei häufig gewechselt. Er hat nach dieser und jener Richtung hin zahl-
reiche Versuche angestellt. In der Zeit seines besten Schaffens hatte er
unter großer materieller Not zu leiden. Er wurde in dieser Zeit von einer
schweren geistigen Erkrankung befallen und damit den tiefsten seelischen
Erschütterungen ausgesetzt.

Unter diesen Umständen sind Werke von den verschiedensten Eigenarten
entstanden, bei denen der, der die geistige Persönlichkeit van Goghs nicht
eingehend studiert hat, nicht die Hand des gleichen Meisters vermuten
würde.

Ferner sind auch Werke von sehr verschiedener Qualität entstanden.

Die Armut zwang van Gogh, seine Materialien herzunehmen, wo er sie
zu den billigsten Preisen bekommen konnte, und diejenigen Materialien
zu wählen, die am billigsten waren.

Die Leinwände wechseln bei van Gogh in reichstem Maße. Neben besten
französischen Leinwänden kommen solche minderer, schlechter und
schlechtester Qualität vor. Er hat in seiner Notlage als Malgrund selbst
Handtücher und Jute verwendet, um überhaupt malen zu können.
Die verwendeten Farben sind oft minderwertig. Van Gogh hat Farben
von den verschiedensten Quellen bezogen und hat oft die billigsten Far-
ben benutzt. Er bittet in seinen Briefen den Bruder, billigere Farben zu
kaufen und für dasselbe Geld die doppelte Menge Farbe zu beschaffen,
er bittet ihn, grobe Farbe zu kaufen.

Van Gogh befand sich auch nicht in der Lage, seinen Werken die best-
mögliche Pflege angedeihen lassen zu können. Bei seiner großen Schaffens-
kraft mußte er oft darauf bedacht sein, eine schnelle Trocknung der Bil-
der herbeizuführen. Bei der Versendung der Bilder an seinen Bruder und
seine Mutter hat er die Bilder gerollt. Er hat zum Teil Bilder versandt,
die noch nicht ganz getrocknet waren, und hat den Bruder dann gebeten,
die Bilder zum Trocknen noch der Luft und dem Licht auszusetzen. In

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