Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

DOI Artikel:
Levin, Theodor: Eine gefälschte Gemäldesammlung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0339

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
22. Iahrgang.

Nr. H2.

1886/87.

Aunstchronik

25. August.

Wochenschrift für Aunst und Aunstgewerbe.

Aukündiguugsblatt des verbandes der deutschen Runstgewerbevereine

^erausgeber:

Larl v. tiitzow und Arthur j)abst

wien Berlin, VV.

Theresianumgasse 25. Kurfürstenstraße 3.

Lxpedition:

Leipzig: L. A. Seemann, Gartenstr. Z5. Berlin: w. ks. UÜHI, Iägerstr. 7Z.

vie Aunstchronik erscheint von Oktober bis Lnde Iuni wöchentlich, im Iuli, August und September nur aller ^ Tage und kostet in verbindung
mit dem Aunstgewerbeblatt halbjährlich b Mark, ohne dasselbe ganzjährlich 8 Mark.— Inserate, L 30 j)f. für die dreispaltige ssetitzeile,
nehmen außer der verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein L vogler in Leipzig, Wien, Berlin, München u. s. w. entgegen.

gnhalt: Line gefälschte Gemäldesammlnng. — Der Meister des Leibnizhauses zu Hannover. — var^ent^, O., I^e Laron 6ros. — Ausgrabung
eines vorgeschichtlichen Schatzes in Aleiuasten. — Aquarellausstellung zu Dresden. — St. Georgsbrunnen in Dresden; Martin Lngelke's
Reliefs. — Zeitschriften. — Inserate.

Line gefälschte Gemäldesammlung.

Jch erhebe Anklage vor dem Gerichtshof der ge-
bildeten Welt und lege nötigenfalls Berufung ein bei
dem Hof dcr Sachverständigen.

Gegen wen sich meine Anklage richtet, das ver-
mag ich im Augenblick noch nicht anzugeben. Aber der
objektive Thatbestand, der mir vorliegt, ist so unge-
heuerlich, so neu in der Geschichte der Museen, in der
Geschichte der Fälschungen, daß er nicht totgeschwiegen
werden soll, und wenn sich alle Beteiligten znm Schweigen
das Wort gäben.

Die Stadt Frankfurt berufe ein Schiedsgericht
von sachverständigen Männern! Sie stelle es mir frei,
drei Männer meiner Wahl als Beisitzer dieses Schieds--
gerichtes zu benennen, und lasse mich meine Sache
stersönlich führen! Habe ich Unrecht, so bin ich ein
diskreditirter Mann und bestrast genug. Habe ich
Recht, so möge der Staatsanwalt seineSchuldigkeit thun.
Jch behaupte und stelle auf Verlangen unter Beweis:
daß „von den 141 niederländischen (vlämischen und
holländischen) Bildern, welche das Berzeichnis der im
Städelschen Jnstitut öffentlich ausgestellten Kunstgegen-
stände als bezeichnete anfführt, 58, sage achtundfünfzig,
außerdem noch drei Bilder außer Katalog, in Summe
also 61 Bilder gefälschte Bezeichnungen aufweisen."

Lacht nicht, Jhr braven Männer mit kleinem Ge-
wissen, die Jhr's besser kennt! Lacht nicht über meine
kindliche Naivetät! Jch behaupte keineswegs, daß die
übrigen Signaturen echt sind. Jm Gegenteil, ich bin
überzeugt, daß zwei Drittel derselben ebenfalls der
Fälschung ihr Dasein verdanken. Jch habe etwa nur

acht gefunden, sllr deren Echtheit ich einstehen kann.
Aber mit Rücksicht auf die mir zugemessene Zeit, mit
Rücksicht darauf, daß ich das Museum des Städelschen
Jnstituts seit dem Jahre 1870, wv ich zwar von
Kupferstichen etwas, aber von alten Bildern noch herz-
lich wenig vcrstand, zum erstenmal wieder betreten habe,
wird man es gerechtfertigt finden, daß ich mich an
leuchtende Beispiele halte.

1) Den Vortritt habe ein Bild, welches zu den
ncuesten Erwerbungen gehört und im Nachtrag des
Verzeichnisses noch nicht zu finden ist.

Es soll ein Jan van der Meer van Delft sein.
Da steht es deutlich zu lesen, erstens auf dem Schrank
Llssr (mit I über dem Ll) und zweitcns rechts auf der
Mauer I Vsr-Nsor NvbDXVIIII. Hätten die wacke-
ren Verfertiger den neuen Katalog des Rijks-Museums
abgewartet, die Fälschung wäre weniger plump aus-
gefallen. Es ist nichts mit dem Ber-Meer. Aber auch
dann würden sie diesem traurigen Bilde keinen gültigen
Rcisepaß in den Hauptsaal einer bedeutenden Gemälde-
galerie ausgestellt haben. Als das Bild von der
Staffelei des mäßigen Künstlers kam, der es gemalt,
war es ein Werk, das meine Sammlerfreunde heute
kaum kaufen oder ansteigern würden. Gegenwärtig ist
es cine Ruine, die man auf den Trödel bringen sollte.

2) Ein Wasserfall von I. Ruisdael, eine der
neuesten Erwerbungen, die nicht im Verzeichnis zu
finden sind. Hier steht die Sache anders. Ein vor-
züglicher Ruisdael, Wenn auch von einer etwas kon-
ventionellen Sorte. Die Bezeichnung Ruisdael zählt
zu den geschickteren Fälschungen. Ein Spiritushauch
— und sie verstummt.
 
Annotationen