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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

DOI Artikel:
Sybel, Ludwig von: Relief und Statue in der griechischen Bildhauerei, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0031

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL VON LÜTZOW und ARTHUR PABST

WIEN

Heugasse 58.

KÖLN
Kaiser-Wilhelmsring 24.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. I. Jahrgang.

1889/90.

Nr. 4.' 31. Oktober.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang hostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Sud. Mosse u. s. w. an.

RELIEF UND STATUE
IN DER GRIECHISCHEN BILDHAUEREI.

Von Ludwig von Sybel.

(Schluss.)
Alle Statuen sind auf die Vorderansicht be-
rechnet. Waren sie in irgend einer Art Blind-
rahmen aufgestellt, so war die Vorderansicht die
einzig gegebene; nicht anders aber stand der Be-
schauer dem Teinpelbild gegenüber, nicht anders
auch den an Wegen errichteten Standbildern. Wie
er des Weges kam und wo er vor der Mitte des
Bildes ankam, da machte er Halt und hatte ohne
viel Suchen den richtigen Standpunkt inne. Es war
nicht die Absicht, dass der Beschauer das Bild rings
umgehen und von allen Seiten besehen solle; be-
kleidete Figuren vertrugen die Betrachtung von der
Rückseite in der Regel gar nicht einmal. Der
Künstler durfte die Rückansicht obenhin behandeln
und entging damit der Qual, bei ihrer Harmonisirung
wieder ändern zu müssen, was beim Disponiren der
Vorderansicht geglückt war. Vor der Mitte einer
jeden Statue also war gleichsam ein unsichtbarer Stein
in den Fussboden eingelassen, auf welchen jeder Be-
schauer unbewusst trat, um vom einzig günstigen
Standpunkt aus das Bild in sich aufzunehmen').

1) Die Regel sollte auch für den modernen Beschauer
gelten; und auch die zeichnerischen und Lichtbildaufnah-
men sollten immer in der Vorderansicht genommen werden.
Nicht so jedoch, wie es viele Zeichner und Photographen
verstehen, welche allemal das Gesicht der Figur in der Vor-
deransicht aufnehmen zu müssen glauben, auch wo die Ge-
stalt ganz oder halb zur Seite blickt. Es liegt doch auf der
Hand, dass der Künstler, welcher seine Statue, etwa Praxi-

Damit hängt ein anderes zusammen, die fläclien-
hafte Komposition, welche die Statuen mit den Re-
liefs teilen. Bei Gruppen ist das Sachverhältnis am
augenfälligsten; da stehen die Figuren in einer und
derselben Ebene gereiht, ähnlich wie die Schau-
spieler am vorderen Rande der Bühne sich zu reihen
pflegen. Der Steinblock, aus welchem die Gruppe
gehauen ist, hat im ganzen Breite und Höhe, aber
wenig Tiefe. Bei einfachen Standbildern kann die
Sache sich nicht so aufdrängen, ihrem Gegenstande nach
können sie nur wenig in die Breite gehen. Um so
bemerkenswerter erscheint es, dass die Bildhauer eine
Neigung verraten, ihren Statuen mehr Breite als
Tiefe zu geben, durch Hinzufügen von Nebenfiguren
und allerlei Beiwerk und durch dessen und der

teles seine Knidia, seitwärts blicken Hess, den Kopf nicht
en face, sondern im Profil oder Halbprofil gesehen wissen
wollte. Oft genug bereitet ja freilich die ungünstige Auf-
stellung in zu schmalen Galerien der richtigen Aufnahme
Schwierigkeiten, doch weniger für den Zeichner, als für den
gewöhnlichen Photographen. Daher sollte es nicht vorkom-
men, was leider geschieht, dass wichtige Statuen wohl in vier
Ansichten aufgenommen und veröffentlicht werden, von rechts
und von links, von der Rückseite und schräg von einer der
vorderen Ecken, nur nicht genau von vorn. Die Aufnahme
schräg von der Ecke, welche vom Zeichner und Photographen
bevorzugt zu werden scheint, wohl als „interessanter" und
„malerischer", verzerrt das Bild, ist eine Sünde gegen den
Geist der Antike. Praxitelische Werke, wie die Knidia oder
der Hermes, wünschen gar nicht „interessant" zu erscheinen;
die durch die schräge Aufnahme eintretenden Verschiebungen
und Schneidungen der Linien widersprechen der Absicht des
Künstlers. Dessen Werke sind so ganz auf die genaue Vor.
deransicht berechnet, dass sie ihre volle und wahre Schön-
heit, die spezifisch praxitelische Schönheit, jedem vorent-
halten, welcher sich nicht auf jenen unsichtbaren Stein
stellen will. Vergl. in. Weltgeschichte d. Kunst, Seite 242.
 
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