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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Die Konkurrenz um das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Düsseldorf
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Die Konkurrenz um das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Düsseldorf.

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emporreicht. Die allegorische Unklarheit, die man
geltend machen könnte, wird reichlich aufgewogen
durch die Schönheit der Konzeption, die auch schon
in der Skizze voll zur Geltung kommt. Zur Linken
sitzen die Frauengestalten der Malerei und Musik
in meisterhafter Überschneidung vom vorderen Stand-
punkte aus gesehen, aber auch von allen anderen
den wohlthuendsten Linienfluss bietend. Vor der
Rückseite des Postaments sitzt majestätisch thronend
die Düsseldorpia, ihr zur Seite ein prächtiger ruhen-
der Löwe mit dem Anker in den Tatzen — dem
Stadtwappen gemäss, — während rechts Lorbeer-
kränze und ein Wappenschild den Raum aufs beste
ausfüllen. Die Düsseldorpia ist in ihrer Haltung,
namentlich im Arrangement der Arme, gegenwärtig
nicht frei von Affektation. Aber wie leicht ist da
zu bessern! Auch die stumpfsinnigen Gesichter mit
den wie von der Regentraufe abgeschliffenen Nasen
sind nur ein charakteristisches Merkmal der Skizzi-
rungsweise in des Künstlers Schule. Bei der Aus-
führung kommt die Natur und legt ihr Veto ein.
Die Verhältnisse des Postaments sind gut getroffen.
Zwei grosse Breitreliefs: „Sedan" und „Kaiserkrö-
nung in Versailles" sind auch in der flüchtigen
Skizzirung schon vielversprechend.

Weniger günstig stellt sich das Facit beim Reiter.
Die Idee, von der der Künstler ausgeht, ist eine
meiner Empfindungsweise durchaus entsprechende.
Er betont nicht die Majestät, sondern die Milde und
Herablassung. Der Kaiser neigt das freundlich
blickende Haupt ein wenig vor und giebt der Rechten
eine aufmunternd winkende Haltung. Was der
Künstler gewollt, sieht man vollkommen, aber eine
Ausführung ins Grosse verträgt dieser Reiter, trotz
vortrefflicher Einzelheiten meines Erachtens nicht.
Das Pferd zieht die Hinterbeine nach innen, was der
Wuchtigkeit und dem Gleichgewicht immer zu nahe
tritt. Die Vorderbeine stehen bei scharfer Achsen-
ansicht zu weit nach links über. Buscher hat bis
jetzt nicht Gelegenheit gefunden, sein grosses Talent
an einem grösseren Werke zu bethätigen. Wir
wissen nur, dass er eine Büste zu liefern vermag, die
einen Vergleich mit dem Besten der Gattung in
Deutschland nicht zu scheuen hat. Ich bin über-
zeugt, dass er berufen ist, Düsseldorf ein würdiges
Denkmal zu liefern.

Bei den drei andern Entwürfen hat man das
Versehen begangen, die Namen der Urheber nicht
zu nennen. Wir können daher nur raten. Indes
dürfte wohl der Entwurf No. 9 von Kaffsari; sein.
Weitaus das Bedeutendste, was diese Konkurrenz

zu Tage gefördert hat, sind die beiden Gruppen am
Postamente des Entwurfes. Schon die Idee ist
stark, klar und dankbar. „Er bannte die grimme
Sorge." Eine Gruppe, die sich aus vier freien Figuren
aufbaut, künstlerisch so rund und dabei so ungebun-
den phantasievoll, dass ich nur sagen kaun, ich kenne
in der modernen deutschen Plastik nichts Besseres.
Germania tritt auf den am Boden sich krümmenden
Teufel der Sorge. Zu ihren Füssen kauert rechts
ein schutzsuchender langbärtiger Greis, der sie mit
den Armen umfasst. Links mehr zurück ein Aus-
gestossener von mehr jugendlichem Ansehen. Fast
ebenbürtig ist die Gruppe vor der anderen Breitseite
des Postaments. „Er schuf Einheit und Frieden".
Der vorstürmende Krieger in antiker Idealkraft über
dem gestürzten Feinde zwischen zwei anderen Figuren,
deren Bedeutung noch stärker auszudrücken wäre,
ist gleichfalls eine Konzeption, auf die der ruhm-
beladenste Künstler stolz sein dürfte. Aber der
Reiter ist unmöglich. Theatralisch, ohne Würde.
Das Pferd unruhig und in viel zu momentaner Be-
wegung. Solche Motive lassen sich in den Posta-
mentfiguren trefflich verwerten. Kein schöneres Bei-
spiel als Siemerings Bismarck am Leipziger Sieges-
denkmal. Aber dem Begriff des monumentalen
Schwerpunkts widerstrebt dieses Augenblicksbild
durchaus. Wir haben — das zeigt sich in Deutsch-
land bei jeder derartigen Konkurrenz — zwei Gat-
tungen von Bildhauern. Die einen können Posta-
mente machen und keine Reiter oder Standbilder,
die andern sind stark in der Gestaltung dieser, aber
am Postament versagt die Phantasie. Gott sei Dank
giebt es auch solche, die beides können.

Die beiden andern Entwürfe kommen nicht bei
der Ausführungsfrage in Betracht, so verdienstlich
sie sind. No. 4 ist ausgezeichnet durch ausserordent-
lich reizvolle allegorische Figuren, die viel zu weit
vorspringen. Das Ganze mehr Tafelaufsatz als Monu-
ment. Bei No. 12 ist das Pferd, wiewohl es zu lan<r
im Rücken, von treffender Haltung. Der Kaiser mit
Marschallsstab ausgezeichnet. Im Arrangement des
Mantels schiesst dieser Entwurf den Vogel ab. Die
allegorischen Figuren sind von etwas landläufiger
Güte und begassiren zu stark. Die Zeit ihrer Wirk-
samkeit liegt hinter uns.

Was wird nun geschehen? Dass Janssen die
Ausführung schon in der Tasche haben sollte, wie
unvorsichtige Stimmen ausplaudern, ist doch rein
undenkbar. Bereitet sich hier eine zweite „Affaire
Gehrts-Roeber" vor? Ich denke, es giebt nur einen
Weg: für die Sieger eine engere Konkurrenz zu
 
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