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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Stiassny, Robert: Georg Penz als Italist
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0095

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HEEAUSGEBEE:

CARL VON LÜTZOW und ARTHUR PABST

WIEN

Heugasse 58.

KÖLN
Kaiser-Wilhelmsring 24.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. I. Jahrgang.

1889/90.

Nr. 12. 16. Januar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Kud. Mosse u. s. w. an.

GEORG PENZ ALS ITALIST.

Die Caritas romana von G. Penz in Basel, welche
in der „Kunstchronik" N. F. I, Nr. 6, Sp. 90 f. be-
sprochen wurde, ist nicht das einzige, uns von der
Hand des Künstlers erhaltene Gemälde dieses Gegen-
standes. In zwei gleichfalls durch sein Monogramm
beglaubigten, beinahe lebensgrossen Halbfigurenbil-
dern aus dem Jahre 1546 hat Penz den nämlichen
Vorwurf nochmals behandelt. Die eine Tafel, bis
vor kurzem in der Galerie Harrach zu Wien (Ver-
zeichnis vom Jahre 1856, Nr. 208), befindet sich
gegenwärtig auf dem gräflichen Schlosse Rohrau bei
Brück a. d. Leitha in Niederösterreich und ist in der
Litteratur mehrfach erMrähnt (Woltmann-Woermann,
Gesch. d. Mal. II, 406; Janitschek, Gesch. d. deutsch.
Mal. S. 379); eine aus demselben Jahre datirte Wie-
derholung dieser Darstellung, aus dem Höhen- in das
Breitenformat umkomponirt, bewahrt die Universitäts-
sammlung zu Stockholm (Olaf Granberg, Collections
privees de la Suede, 1886 I, 61, Nr. 120). Die Auf-
fassung des Vorgangs ist hier nicht mehr eine so
grundnaive und cranachisch philiströse wie in dem
um fünf Jahre älteren Bilde zu Basel (1541). Die
junge Blondine — welche übrigens nach der aus-
gesprochen mütterlichen Handlung, die sie verrichtet,
auch von dem wohlwollendsten Beurteiler nicht mehr
gut als „Mädchen" angesprochen werden kann —
reicht, im blossen Hemde stehend, ihrem Vater die
Brust; die eine Hand hat sie dem Greise dabei zärt-
lich an den Kopf gelegt, mit der anderen dessen
grünen Mantel gefasst. Durch ein im Hintergrunde
angebrachtes Gitterfenster ist das Lokal deutlich als
Kerker bestimmt und damit die Identität des Motivs

mit der Geschichte von Pero und Cimon gesichert,
welche freilich kein Kenner der Stoffwelt der deut-
schen Renaissance angezweifelt hätte. Das in den
Memorabilien des Valerius Maximus V, 4, 1 erzählte
Beispiel von Kindesliebe, das der Malerei von den
pompejanischen Wandbildern bis zu Rubens hinauf
einen durch seine stark sinnlich gewürzte Moral
dankbaren Vorwurf geboten hatte, liessen auch die
„antigisch" gesinnten Deutschen des sechzehnten Jahr-
hunderts sich nicht entgehen — mag ihnen nun die
Begebenheit aus der 1489 zu Augsburg erschienenen
Valeriusübersetzung des Heinrich von Mügeln oder
— worauf mich Reinhold Köhler in Weimar freund-
lichst aufmerksam macht — aus der populären Rätsel-
dichtung geläufig geworden sein, die sich derselben
schon frühzeitig bemächtigt hatte (S. Wilmans, Zeit-
schr. f. Deutsch. Altert. XIII, 495 ff.) H. S. Beham
allein, der engere Kunst- und Schicksalsgenosse des
Penz hat die Historie mit dem Stichel und der Radir-
nadel viermal verbildlicht (B. 72—75) und auf dem
zweiten Zustande des letzteren Blattes — übrigens
einer Kopie nach dem Stiche B. Behams B. 11 von
1525 — die Figur des Alten durch Beischrift aus-
drücklich als „Czinmon" gekennzeichnet. Nur ver-
einzelt begegnet hingegen die von Val. Maximus im
nämlichen Kapitel (V, 4, 7) als Seitenstück unserer
Anekdote mitgeteilte Geschichte der römischen Dame,
die im Gefängnis von ihrer Tochter gestillt wird,
in der bildenden Kunst, so als Relief auf einem
Medaillon am Spielbrette des H. Kels von 1537 in
der Ambraser Sammlung (Jahrb. d. Kunstslg. d.
Kaiserh. III, S. 63,Taf. VIII); obwohl diese Erzählung
durch die Aufnahme in die Gesta Romanorum, das
beliebte Exempelbuch des Mittelalters, in die Volks-
 
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