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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Levin, Th.: Noch ein Wort zur Erinnerung an Eduard Bendemann
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0174

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Noch ein Wort zur Erinnerung an Eduard Bendemann.

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freie Stelle kommt. In der Künstlerschaft aber
gärte ein Idealismus, mit dem sich nur der Idealis-
mus der Neudeutschen in Italien vergleichen lässt,
der in dem Boden Münchens langsam vertrocknete,
und der in Berlin selbst durch die edle Romantik
Friedrich Wilhelms IV. nicht zu neuem Leben er-
weckt werden konnte. Grab es damals in Deutsch-
land überhaupt eine gedeihliche Nahrungsstätte für
künstlerisches Streben, so war es die Stadt Düssel-
dorf, in der erst 1840 Immermann sein geisterfülltes
Haupt zur Ruhe legte. Das ist ja auch so bekannt
und gerade in jünster Zeit so vielfach Gegenstand
geistvoller Ausführungen geworden, dass ein Hin-
weis an dieser Stelle genügt.

Vielleicht kein zweiter Künstler der Neuzeit ist
so dauernd vom Erfolg getragen worden, wie gerade
Bendemann. Das bedeutete um jene Zeit eines ge-
ringen Bilderaustausches unter den deutschen Städten
etwas ganz anderes als der Erfolg in unserer fieber-
haft erregten Periode der internationalen Ausstellun-
gen. Als sein Jeremias erschien, schrieb Schadow
an ferne Freunde: „Die Zeiten Raffaels und Michel
Angelo's sind wiedergekommen", und wenn das auch
ein überreizter Enthusiasmus war, so steckte doch
in dem Werke ein künstlerischer Ernst, der Bende-
mann ebenso unbedingt zum Führer in der ersten
Düsseldorfer Periode machte, wie Lessings Historien
den Mann von härterem Stoffe zum Führer in der
zweiten. Und mit Freuden hörte ich, als es mir
versagt war, selbst zu sehen, dass die „Trauernden
Juden" auf die Künstler und die Kunstliebenden
Düsseldorfs bei der 600jährigen Jubiläumsfeier einen
ebenso grossen Eindruck gemacht haben, wie ich
ihn jedesmal empfing, wenn ich mich im Kölner
Museum nach den lärmenden Nachbarn von der
neuesten deutschen Kunst an dem herrlichen, still-
ernsten Werke erholte. Im Jahre 1838 wurde Bende-
mann als Professor an die Dresdener Akademie be-
rufen. Hier fand er in dem kunstliebenden Monar-
chen einen Förderer, wie ihn kein Künstler besser
verlangen konnte, so lange der König sein eigener
HeiT war. Aber welcher König ist sein eigener
Herr? Wenigstens hatte diese Frage zu jener Zeit
ihre volle Berechtigung. So kam für Bendemann
nach den wonnigen Tagen des glänzendsten Schaffens,
dem wir sein bedeutendstens Werk, den Fries, welcher
das Leben Griechenlands schildert, verdanken, die Tage
bitterster Enttäuschung, kleinlicher Kämpfe und end-
lich die unwiderrufliche Gewissheit, dass die gross-
artigen Entwürfe in seiner Mappe begraben bleiben
würden, bis man sie einst nach seinem Tode zu den

Schätzen deutscher Zeichenkunst heranzieht, für die
damals noch keine Sammelstätte geschaffen war. An
dem kläglichsten Hofschranzentum, im Wettstreit
mit chinesischen Magots und kopfneigenden Man-
darinen scheiterte das feurige Streben eines der
grössten deutschen Künstler. Das asiatische Por-
zellan durfte dem himmlischen Jerusalem nicht den
Platz räumen. In der Nationalgalerie wird ein be-
vorzugter Kreis bald diese die christliche Religion
verherrlichenden Entwürfe bewundern, und ein neues
Licht wird über den Genius des dahingeschiedenen
Meisters aufgehen.

Düsseldorf ist so glücklich ein nicht minder-
wertiges monumentales Werk von der Hand des
Meisters zu besitzen, die Wandmalereien in der Aula
des Realgymnasiums. Nur wenige von den Alten
kennen sie. Aber das heranwachsende Geschlecht
hat an den herrlichen Idealgestalten, an den ener-
gisch und dabei doch klassisch ruhig charakterisirten
grossen Männern unserer Nation seinen Sinn für das
Edle, Wahre und Gute gestärkt.

Bendemanns Gram in den letzten Jahren waren
seine Malereien in der Nationalgalerie. Dieselben
sind bei ihrem Erscheinen einseitig beurteilt worden.
In koloristischer Beziehung konnte die Aufgabe, die
den schweren Kampf farbiger Bilder mit den streng
gezeichneten Kartons eines Cornelius aufzunehmen
hatte, nicht besser gelöst werden. Heutzutage greift
man dreister zu. Man ziert einen Saal, der zur Auf-
nahme eines herrlich milden Rubens und einer wenn
auch nicht grossen Anzahl, aber immerhin einer An-
zahl alter Bilder von würdigem Ernst bestimmt ist, mit
einem in der Höhe nach Metern gemessenen Friese in
den blühendsten Caseinfarben und macht so den Raum
zur Aufnahme der klassischen alten Herren ein für
allemal unbrauchbar. Das bemerkte schon sehr richtig
die Kaiserin Friedrich, als ich die Ehre hatte, sie als
Kronprinzessin in dem Saal herumzuführen. Aber
Bendemann hatte die Rechnung ohne den Wirt ge-
macht. Ohne ihn hinzuzuziehen, warf man das ganze
System in den Sälen der Kartons um und brachte,
wie er selbst öffentlich erklärt hat, seine fein be-
rechneten Arbeiten um ihre Wirkung.

Ja, Bendemann war empfindlich. Als man ihn bei
den Aufforderungen zu einer Ausstellung von Zeich-
nungen und Entwürfen übergangen hatte und sich
nachträglich entschuldigen wollte, sagte er: „Mich
vergisst man nicht", und blieb der Ausstellung fern.
Ganz besonders empfindlich aber war er in dem
Streit zwischen Künstlern und Kunstgelehrten. Der
Sturz seines Schwagers Hübner machte ihn in diesem
 
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