337
Noch ein Wort zur Erinnerung an Eduard Bendeniarm.
338
Punkte unversöhnlich. Beinahe hätte ich es ein für
allemal mit ihm verdorben, als ich bei unserer
ersten Begegnung gegen die Echtheit der Holbein-
schen Madonna in Dresden mit wahrheitsbegeistertem
Eifer Partei nahm. Vergebens winkte mir Woer-
mann zu, um mir anzudeuten, dass ich auf falschem
Wege sei. Es war zu spät. Aber er hat es mir
nie nachgetragen. Der Ausstellung alter Bilder im
Jahre 1886 zollte er rückhaltslos seinen Beifall und
wollte im Komitee nicht fehlen, und als sich kurze
Zeit darauf ein Holländer in Arnheim an ihn mit
der Bitte wandte, ihm einen Sachverständigen zur
Beurteilung einer Sammlung alter Bilder nachzu-
weisen und zuzuschicken, da wählte er doch keinen
seiner Kollegen, sondern er erwies mir die Ehre,
wofür ich ihm über das Grab hinaus dankbar bin.
Audi ehrgeizig war Bendemann, und welcher
Künstler, in dem eine Ader des heiligen Feuers glüht,
wäre es nicht? Seinen „pour le nierite" legte er bei
festlichen Gelegenheiten mit Stolz an, und der Ehren-
doktor war ihm lieber als der Direktor. Von dem
Direktor hatte er ohnedies nicht viel Freude erlebt.
In der richtigen Erkenntnis, dass uns die Franzosen
und die Belgier mit Siebenmeilenstiefeln voran-
gingen, dass Frans Hals von Harlem der Meister der
Zukunft sei, versuchte er die Akademie zu reformiren.
Aber die Früchte sollten erst lange nach seinem Ab-
gange reifen, der äusserlich durch ein hartnäckiges
Halsleiden, das ihm das Sprechen erschwerte, ge-
rechtfertigt wurde, in der That aber durch Kabalen ver-
anlasst war, wie sie nur in Künstlerkreisen gedeihen. —
Sein Charakter war von einer Reinheit und einem Adel,
dass man die Stärke darüber wohl missen konnte.
Die Kölnische Zeitung hat einen glänzenden Be-
richt über das Begräbnis gebracht. Der Reporter
scheint nur bis zur Stadtgrenze mitgegangen zu sein
und auch in der Stadt noch nicht viel Künstler-
begräbnisse gesehen zu haben, beispielsweise nicht
das des populären Camphausen. Ich hatte in frischem
Gedächtnis, wie Wien seine grosse Toten begräbt,
und erglühte noch unter dem Eindruck der herr-
lichen Rede Ganghofers am Grabe Anzengrubers.
Nun, in der Stadt ging es noch. Die Akademie hatte
Ferien, und die Influenza hielt schon ihre Ernte.
Aber es war gar kein Leichenzug. So weit die
Korporationen vertreten waren, gliederten sie sich
nicht. Alles trabte durcheinander und war froh, nach
dem Hofgarten abschwenken zu können. Wäre nicht
der Wagen mit Blumen gewesen und die Fahne der
Laetitia zwischen den Chargirten in farbigen Schär-
pen majestätisch dahingezogen, kein Mensch hätte
ahnen können, dass da vorn in dem armseligen
Leichenwagen der Sarg Bendemanns ruhte. Wo
war denn der Tartarus, wo der Baidur, wo die freie
akademische Vereinigung; wo waren die Deputationen
von Berlin, Königsberg, Kassel, München und anderen
berühmteu Kunststädten? — Aber wie schmolz erst
das Häuflein zusammen, als wir an die Chaussee
heran waren! Draussen — der neue Kirchhof liegt
allerdings in der brutalen Entfernung einer halben
Meile vom Mittelpunkte der Stadt oder gar noch
weiter — draussen waren nicht zehn Leidtragende
ausser den männlichen Angehörigen um das offene
Grab versammelt. Der Prediger sprach das kurze
Gebet. Dann alles stumm und still, wie das Grab vor
uns. Kein Wort, das von Herzen kam und zum
Herzen ging, wurde gehört. Für uns paar arm-
selige Nachzügler lohnte es wohl nicht, denn an
Rednern war kein Mangel.
Ruh', ruh' verklärter Geist! Über deinem Grabe
tobt der Streit der Parteien. Hie Malkasten, hie Kunst-
genossenschaft, hie Künstlerunterstützungsverein!
Hie Akademie, hie freie Künstlerschaft! Hie Clique,
hie die armen Zunftlosen! Aber zu Häupten deines
Sarges sah ich den Erzengel mit dem flammenden
Racheschwert. Er redete mit feuriger Zunge, als die
andern schwiegen. „Ihr Undankbaren, Euch allein
hat Gott das Paradies auf Erden gelassen, Euch die
Pflege des Schönen, den Genuss des Schaffens statt
der täglichen Schweissarbeit". Euch den Ruhm und
den Künstlerstolz! Und wie lohnt Ihr seine Güte?
Neid und Missgunst jagt Euch gegeneinander. Was
Ihr nicht selbst schafft, ist Euch ein Buch mit sieben
Siegeln. Aber wahrlich, ich warne Euch bei dem
Andenken dieses grossen Toten. Fahrt Ihr so fort,
so soll Euch dieses Schwert zerschlagen!"-----------
Man wird ja dereinst auch Bendemann in Düssel-
dorf ein Denkmal setzen, und die Opposition wird
nicht so gross sein, wie beim Denkmal Heine's. Aber
ich weiss ein Denkmal, welches ihm gleich darge-
bracht werden kann, und kein schöneres wird je aus
der Hand eines Künstlers hervorgehen. Im Schlosse
zu Hannover — vielleicht ist das Bild jetzt im Mu-
seum — hängt, allen Blicken verborgen, der Jere-
mias. Unser junger herrlicher Kaiser, der sein Auge
überall hat, wolle, so wage ich zu bitten, alier-
gnädigst das Bild der Kunsthalle zu Düsseldorf
überweisen, mit dem Beding, dass es in der städti-
schen Galerie den Ehrenplatz erhalte! Ich handle
ohne Auftrag, aber ich handle im Geiste Bende-
manns, und das ist meine Legitimation.
Düsseldorf, im Januar 1890. TS. LEVIN.
Noch ein Wort zur Erinnerung an Eduard Bendeniarm.
338
Punkte unversöhnlich. Beinahe hätte ich es ein für
allemal mit ihm verdorben, als ich bei unserer
ersten Begegnung gegen die Echtheit der Holbein-
schen Madonna in Dresden mit wahrheitsbegeistertem
Eifer Partei nahm. Vergebens winkte mir Woer-
mann zu, um mir anzudeuten, dass ich auf falschem
Wege sei. Es war zu spät. Aber er hat es mir
nie nachgetragen. Der Ausstellung alter Bilder im
Jahre 1886 zollte er rückhaltslos seinen Beifall und
wollte im Komitee nicht fehlen, und als sich kurze
Zeit darauf ein Holländer in Arnheim an ihn mit
der Bitte wandte, ihm einen Sachverständigen zur
Beurteilung einer Sammlung alter Bilder nachzu-
weisen und zuzuschicken, da wählte er doch keinen
seiner Kollegen, sondern er erwies mir die Ehre,
wofür ich ihm über das Grab hinaus dankbar bin.
Audi ehrgeizig war Bendemann, und welcher
Künstler, in dem eine Ader des heiligen Feuers glüht,
wäre es nicht? Seinen „pour le nierite" legte er bei
festlichen Gelegenheiten mit Stolz an, und der Ehren-
doktor war ihm lieber als der Direktor. Von dem
Direktor hatte er ohnedies nicht viel Freude erlebt.
In der richtigen Erkenntnis, dass uns die Franzosen
und die Belgier mit Siebenmeilenstiefeln voran-
gingen, dass Frans Hals von Harlem der Meister der
Zukunft sei, versuchte er die Akademie zu reformiren.
Aber die Früchte sollten erst lange nach seinem Ab-
gange reifen, der äusserlich durch ein hartnäckiges
Halsleiden, das ihm das Sprechen erschwerte, ge-
rechtfertigt wurde, in der That aber durch Kabalen ver-
anlasst war, wie sie nur in Künstlerkreisen gedeihen. —
Sein Charakter war von einer Reinheit und einem Adel,
dass man die Stärke darüber wohl missen konnte.
Die Kölnische Zeitung hat einen glänzenden Be-
richt über das Begräbnis gebracht. Der Reporter
scheint nur bis zur Stadtgrenze mitgegangen zu sein
und auch in der Stadt noch nicht viel Künstler-
begräbnisse gesehen zu haben, beispielsweise nicht
das des populären Camphausen. Ich hatte in frischem
Gedächtnis, wie Wien seine grosse Toten begräbt,
und erglühte noch unter dem Eindruck der herr-
lichen Rede Ganghofers am Grabe Anzengrubers.
Nun, in der Stadt ging es noch. Die Akademie hatte
Ferien, und die Influenza hielt schon ihre Ernte.
Aber es war gar kein Leichenzug. So weit die
Korporationen vertreten waren, gliederten sie sich
nicht. Alles trabte durcheinander und war froh, nach
dem Hofgarten abschwenken zu können. Wäre nicht
der Wagen mit Blumen gewesen und die Fahne der
Laetitia zwischen den Chargirten in farbigen Schär-
pen majestätisch dahingezogen, kein Mensch hätte
ahnen können, dass da vorn in dem armseligen
Leichenwagen der Sarg Bendemanns ruhte. Wo
war denn der Tartarus, wo der Baidur, wo die freie
akademische Vereinigung; wo waren die Deputationen
von Berlin, Königsberg, Kassel, München und anderen
berühmteu Kunststädten? — Aber wie schmolz erst
das Häuflein zusammen, als wir an die Chaussee
heran waren! Draussen — der neue Kirchhof liegt
allerdings in der brutalen Entfernung einer halben
Meile vom Mittelpunkte der Stadt oder gar noch
weiter — draussen waren nicht zehn Leidtragende
ausser den männlichen Angehörigen um das offene
Grab versammelt. Der Prediger sprach das kurze
Gebet. Dann alles stumm und still, wie das Grab vor
uns. Kein Wort, das von Herzen kam und zum
Herzen ging, wurde gehört. Für uns paar arm-
selige Nachzügler lohnte es wohl nicht, denn an
Rednern war kein Mangel.
Ruh', ruh' verklärter Geist! Über deinem Grabe
tobt der Streit der Parteien. Hie Malkasten, hie Kunst-
genossenschaft, hie Künstlerunterstützungsverein!
Hie Akademie, hie freie Künstlerschaft! Hie Clique,
hie die armen Zunftlosen! Aber zu Häupten deines
Sarges sah ich den Erzengel mit dem flammenden
Racheschwert. Er redete mit feuriger Zunge, als die
andern schwiegen. „Ihr Undankbaren, Euch allein
hat Gott das Paradies auf Erden gelassen, Euch die
Pflege des Schönen, den Genuss des Schaffens statt
der täglichen Schweissarbeit". Euch den Ruhm und
den Künstlerstolz! Und wie lohnt Ihr seine Güte?
Neid und Missgunst jagt Euch gegeneinander. Was
Ihr nicht selbst schafft, ist Euch ein Buch mit sieben
Siegeln. Aber wahrlich, ich warne Euch bei dem
Andenken dieses grossen Toten. Fahrt Ihr so fort,
so soll Euch dieses Schwert zerschlagen!"-----------
Man wird ja dereinst auch Bendemann in Düssel-
dorf ein Denkmal setzen, und die Opposition wird
nicht so gross sein, wie beim Denkmal Heine's. Aber
ich weiss ein Denkmal, welches ihm gleich darge-
bracht werden kann, und kein schöneres wird je aus
der Hand eines Künstlers hervorgehen. Im Schlosse
zu Hannover — vielleicht ist das Bild jetzt im Mu-
seum — hängt, allen Blicken verborgen, der Jere-
mias. Unser junger herrlicher Kaiser, der sein Auge
überall hat, wolle, so wage ich zu bitten, alier-
gnädigst das Bild der Kunsthalle zu Düsseldorf
überweisen, mit dem Beding, dass es in der städti-
schen Galerie den Ehrenplatz erhalte! Ich handle
ohne Auftrag, aber ich handle im Geiste Bende-
manns, und das ist meine Legitimation.
Düsseldorf, im Januar 1890. TS. LEVIN.