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Vom Leipziger Museum.
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Eine weitere, mit dem vorstehend erwähnten
Vermächtnis indirekt zusammenhängende Zuwendung
erfuhr das Museum dadurch, dass sich die hier lehende
Schwester der Frau Dr. Seeburg, Frau Hedwig von
Holstein, bewogen fand, sieben Bilder aus ihrem
eigenen Besitz der Schenkung ihrer Schwester hin-
zuzufügen. Es sind zwei Landschaften von Joseph
Anton Koch: „Gritnselpass" aus dem Jahre 1818 und
eine Farbenskizze „Nauplia", angeblich aus dem
Jahre 1836; ein Studienkopf (wendisches Mädchen)
von Ludwig Knaus, ein Mädchenkopf von Elisabeth
Jerichau-Baumann, eine Landschaft aus dem Jahre
1824 von Johann Christian Reinhart, dem ehemali-
gen Schüler von Oeser in Leipzig, später, als er nach
Rom übergesiedelt war, unter dem Einflüsse Kochs
stehend, ein „Gebirgspass", Motiv aus der Nähe von
Torbole am Gardasee, von Hermann Hartwich sowie
endlich ein weibliches Brustbild „Juanita", eine
schwarzlockige Südländlerin, von Heinrich Bürck.
Von dem Rate der Stadt wurde aus den etats-
mässigen Mitteln (gegenwärtig 10000 Mark jährlich)
sowie aus den zur Verfügung stehenden Vermächt-
nissen eine Reihe von Bildern für die Galerie ange-
kauft, von denen einige zweifellos, mögen die ästhe-
tischen Urteile auch noch so sehr auseinandergehen,
zu den bedeutendsten Erwerbungen gehören, die an
modernen Meistern je für das Museum gemacht wor-
den sind. Das gilt in erster Linie — eine chrono-
logisch geordnete Aufzählung ist hier nicht not-
wendig — von zwei Porträts, die allenthalben grosses
Aufsehen hervorgerufen haben. Nachdem schon
lange der Wunsch gehegt worden war, von Franz
v. Lenbach eines seiner zeitgenössischen Bildnisse zu
besitzen, bot sich im Frühjahr 1888 die Gelegenheit,
ein Porträt des Reichskanzlers Fürsten Bismarck zu
erwerben, das der Künstler in den letzten Dezember-
tagen des Jahres 1887 in Friedrichsruhe begonnen
hatte. Als der Kauf eben abgeschlossen werden
sollte, traf die Nachricht von dem Ableben Kaiser
Wilhelms ein, und da man wusste, dass Lenbach
ein Bildnis aus den letzten Lebensjahren (Herbst 1886)
des greisen Monarchen besass, so wurde in Erwägung
gezogen, ob es nicht zu empfehlen sei, mit dem Bis-
marckbilde das des Kaisers anzukaufen und somit
von dem unbestritten bedeutendsten Porträtisten der
Gegenwart die Bildnisse der beiden grössten Heroen
der neueren deutschen Geschichte dem Museum zu
sichern. Der Rat beschloss den Ankauf der beiden
Gemälde, und zwar des Bismarckbildnisses von den
Zinsen der Petschke-Stiftung, das des Kaisers aus
der Grassi-Stiftung. Über die beiden Porträts ist
an dieser Stelle nichts weiter hinzuzufügen; sie sind
allbekannt und das Kaiserbild ist in vielen Tausenden
von Kunstblättern vervielfältigt worden. Es ist kein
Geheimnis, dass das letztere in Leipzig selbst ver-
hältnismässig wenig Anerkennung, desto mehr Wür-
digung auswärts erfahren hat. Dass es sich um ein
Kunstwerk ersten Ranges handle, darin stimmten
wohl die meisten überein; aber während die einen
meinten, dieser Kaiser in seiner frappanten natura-
listischen Auffassung gehöre in keine öffentliche
Galerie, weil das Ideal von der Person des grossen
Monarchen in der Vorstellung späterer Geschlechter
von dem Leipziger Bilde beeinflusst werden könne,
griffen die anderen die technische Behandlung und
breite Ausführungsweise an, die bei Lenbach, mit
Ausnahme der Köpfe, in denen sich seine ganze
geniale Künstlernatur offenbart, etwas flüchtig, besser
gesagt, skizzenhaft zu sein pflegt. Was diese Vor-
würfe besagen wollen, ist jetzt nicht mehr zu er-
örtern. Auch hat es den Anschein, als wolle die
anfangs erregte Stimmung einer objektiveren, nicht
die persönliche Geschmacksrichtung zum Ausdruck
bringenden Auffassung Platz machen. Zu erwähnen
ist indessen noch, dass Lenbach selbst den unschein-
baren ersten Rahmen des Bildes durch einen neuen,
reich ornamentirten und monumental wirkenden auf
eigene Kosten ersetzt hat, sowie dass die „Verlags-
handlung für Kunst und Wissenschaft" in München
als Entschädigung für das ihr überlassene photo-
graphische Vervielfältigungsrecht des Kaiserbildes
grosse kunstgeschichtliche Publikationen ihres Ver-
lages (darunter die kostbare Ausgabe der Handzeich-
nungen der alten Pinakothek zu München) im Be-
trage von 1400 Mark dem Museum überwiesen hat,
eine Thatsache, die jedenfalls auf die Wertschätzung,
die das Kaiserbild sonst gefunden hat, ein bezeich-
nendes Licht wirft.
Noch vor der Wiedereröffnung des Museums
war Fritz v. Uhde's Gemälde „Lasset die Kindlein
zu mir kommen" vom Rate aus dem Legat des Herrn
August Adolf Focke angekauft worden. Es ist von
allen Bildern des Meisters, welche jene eigenartige
realistische Tendenz verfolgen und die biblischen
Stoffe in ein Bild des unmittelbaren, gegenwärtigen
Lebens verwandeln, vielleicht das bekannteste, jeden-
falls das bedeutendste, und wir wissen genau, dass
Uhde selbst von allen seinen Werken den meisten
Wert auf das Leipziger Bild legt. — Aus dem Ver-
mächtnis der Frau Lohmann, geborene Pensa, wurde
Christian Kröners schönes Tierstück „Zur Brunst-
zeit, Motiv am Brocken", angekauft, ein durch lebens-
Vom Leipziger Museum.
352
Eine weitere, mit dem vorstehend erwähnten
Vermächtnis indirekt zusammenhängende Zuwendung
erfuhr das Museum dadurch, dass sich die hier lehende
Schwester der Frau Dr. Seeburg, Frau Hedwig von
Holstein, bewogen fand, sieben Bilder aus ihrem
eigenen Besitz der Schenkung ihrer Schwester hin-
zuzufügen. Es sind zwei Landschaften von Joseph
Anton Koch: „Gritnselpass" aus dem Jahre 1818 und
eine Farbenskizze „Nauplia", angeblich aus dem
Jahre 1836; ein Studienkopf (wendisches Mädchen)
von Ludwig Knaus, ein Mädchenkopf von Elisabeth
Jerichau-Baumann, eine Landschaft aus dem Jahre
1824 von Johann Christian Reinhart, dem ehemali-
gen Schüler von Oeser in Leipzig, später, als er nach
Rom übergesiedelt war, unter dem Einflüsse Kochs
stehend, ein „Gebirgspass", Motiv aus der Nähe von
Torbole am Gardasee, von Hermann Hartwich sowie
endlich ein weibliches Brustbild „Juanita", eine
schwarzlockige Südländlerin, von Heinrich Bürck.
Von dem Rate der Stadt wurde aus den etats-
mässigen Mitteln (gegenwärtig 10000 Mark jährlich)
sowie aus den zur Verfügung stehenden Vermächt-
nissen eine Reihe von Bildern für die Galerie ange-
kauft, von denen einige zweifellos, mögen die ästhe-
tischen Urteile auch noch so sehr auseinandergehen,
zu den bedeutendsten Erwerbungen gehören, die an
modernen Meistern je für das Museum gemacht wor-
den sind. Das gilt in erster Linie — eine chrono-
logisch geordnete Aufzählung ist hier nicht not-
wendig — von zwei Porträts, die allenthalben grosses
Aufsehen hervorgerufen haben. Nachdem schon
lange der Wunsch gehegt worden war, von Franz
v. Lenbach eines seiner zeitgenössischen Bildnisse zu
besitzen, bot sich im Frühjahr 1888 die Gelegenheit,
ein Porträt des Reichskanzlers Fürsten Bismarck zu
erwerben, das der Künstler in den letzten Dezember-
tagen des Jahres 1887 in Friedrichsruhe begonnen
hatte. Als der Kauf eben abgeschlossen werden
sollte, traf die Nachricht von dem Ableben Kaiser
Wilhelms ein, und da man wusste, dass Lenbach
ein Bildnis aus den letzten Lebensjahren (Herbst 1886)
des greisen Monarchen besass, so wurde in Erwägung
gezogen, ob es nicht zu empfehlen sei, mit dem Bis-
marckbilde das des Kaisers anzukaufen und somit
von dem unbestritten bedeutendsten Porträtisten der
Gegenwart die Bildnisse der beiden grössten Heroen
der neueren deutschen Geschichte dem Museum zu
sichern. Der Rat beschloss den Ankauf der beiden
Gemälde, und zwar des Bismarckbildnisses von den
Zinsen der Petschke-Stiftung, das des Kaisers aus
der Grassi-Stiftung. Über die beiden Porträts ist
an dieser Stelle nichts weiter hinzuzufügen; sie sind
allbekannt und das Kaiserbild ist in vielen Tausenden
von Kunstblättern vervielfältigt worden. Es ist kein
Geheimnis, dass das letztere in Leipzig selbst ver-
hältnismässig wenig Anerkennung, desto mehr Wür-
digung auswärts erfahren hat. Dass es sich um ein
Kunstwerk ersten Ranges handle, darin stimmten
wohl die meisten überein; aber während die einen
meinten, dieser Kaiser in seiner frappanten natura-
listischen Auffassung gehöre in keine öffentliche
Galerie, weil das Ideal von der Person des grossen
Monarchen in der Vorstellung späterer Geschlechter
von dem Leipziger Bilde beeinflusst werden könne,
griffen die anderen die technische Behandlung und
breite Ausführungsweise an, die bei Lenbach, mit
Ausnahme der Köpfe, in denen sich seine ganze
geniale Künstlernatur offenbart, etwas flüchtig, besser
gesagt, skizzenhaft zu sein pflegt. Was diese Vor-
würfe besagen wollen, ist jetzt nicht mehr zu er-
örtern. Auch hat es den Anschein, als wolle die
anfangs erregte Stimmung einer objektiveren, nicht
die persönliche Geschmacksrichtung zum Ausdruck
bringenden Auffassung Platz machen. Zu erwähnen
ist indessen noch, dass Lenbach selbst den unschein-
baren ersten Rahmen des Bildes durch einen neuen,
reich ornamentirten und monumental wirkenden auf
eigene Kosten ersetzt hat, sowie dass die „Verlags-
handlung für Kunst und Wissenschaft" in München
als Entschädigung für das ihr überlassene photo-
graphische Vervielfältigungsrecht des Kaiserbildes
grosse kunstgeschichtliche Publikationen ihres Ver-
lages (darunter die kostbare Ausgabe der Handzeich-
nungen der alten Pinakothek zu München) im Be-
trage von 1400 Mark dem Museum überwiesen hat,
eine Thatsache, die jedenfalls auf die Wertschätzung,
die das Kaiserbild sonst gefunden hat, ein bezeich-
nendes Licht wirft.
Noch vor der Wiedereröffnung des Museums
war Fritz v. Uhde's Gemälde „Lasset die Kindlein
zu mir kommen" vom Rate aus dem Legat des Herrn
August Adolf Focke angekauft worden. Es ist von
allen Bildern des Meisters, welche jene eigenartige
realistische Tendenz verfolgen und die biblischen
Stoffe in ein Bild des unmittelbaren, gegenwärtigen
Lebens verwandeln, vielleicht das bekannteste, jeden-
falls das bedeutendste, und wir wissen genau, dass
Uhde selbst von allen seinen Werken den meisten
Wert auf das Leipziger Bild legt. — Aus dem Ver-
mächtnis der Frau Lohmann, geborene Pensa, wurde
Christian Kröners schönes Tierstück „Zur Brunst-
zeit, Motiv am Brocken", angekauft, ein durch lebens-