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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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529

Bücherschau.

530

BÜCHERSCHAU.

Seit der letzten Ablage einer kunstlitterarisclien
Rechnung ist eine so geraume Zeit verstrichen, dass
sich die gegenwärtige Bücherschau beinahe zu einem
Jahresberichte ausdehnt. Die längere Pause bringt
den Gewinn, dass man die herrschende Strömung
besser überblickt, den Fortschritt in der Forschung
und Darstellung genauer abzumessen im stände ist.
Über lahme Lenden können wir in unserem Kreise
nicht klagen. Die Lust zu forschen und zu schreiben
ist in entschiedenem Aufgange begriffen. Es bleibt
nur der Wunsch übrig, dass die Zahl der Leser der
gesteigerten litterarischen Tbätigkeit entsprechend
auch stetig wachse. Wir beobachten ferner, dass
sich die Aufmerksamkeit der Forscher jetzt mit Vor-
liebe der heimischen Kunst zuwendet, ohne dass
deshalb das alte Vorrecht der Deutschen, Italien als
zweite Heimat zu begrüssen, aufgegeben wird. An
einzelnen Anläufen, den Himmel der alten Tradition
zu stürmen, fehlt es nicht; im ganzen ist aber doch
die litterarische Bewegung ruhiger geworden. Da-
zu hat die strengere historische Methode, die Beschrän-
kung auf fest abgegrenzte Aufgaben wesentlich bei-
getragen. Kein Abschnitt der Kunstgeschichte, keine
Betrachtungsweise ist leer ausgegangen, die Ikono-
graphie, die Topographie, die historische Kritik sind
alle namhaft bereichert worden. Aus einer grösseren
Reihe uns vorliegender Bücher heben wir als be-
sonders empfehlenswert und an Resultaten fruchtbar
folgende Schriften heraus.

Aus dem fernen Finnland haben wir einen ganz
vortrefflichen Beitrag zur altchristlichen Ikonographie
empfangen. Tikkanen in Helsingfors erörtet in einer
reich ülustrirten Abhandlung die Genesismosaiken
in der Vorhalle von S. Marco in Venedig und stellt
ihre Beziehungen zu den Genesisbildern des vorigen
Jahrtausends fest. Die Arbeit darf als eine wirk-
liebe Bereicherung unserer Wissenschaft gerühmt
werden. Insbesondere der Nachweis, dass die be-
kannte Elfenbeiutafel mit zehn kleinen Genesisbil-
dern in Berlin auf eine Redaktion des fünften Jahr-
hunderts zurückgeht, ist als eine glückliche Ent-
deckung zu verzeichnen. Im ganzen steht der
Verfasser auf dem Standpunkte, dass er mehrere
selbständige Familien der Genesisdarstellungen an-
nimmt, welche teilweise ihre gemeinsamen Wurzeln
in der altchristlichen Überlieferung besitzen, teil-
weise aber auch unabhängig von einander neue Bil-
der schaffen. Die Hypothese von dem allein herr-
schenden Byzantinismus hat auch durch Tikkanen
einen neuen scharfen Widersacher erhalten.

Einen enger begrenzten Gegenstand behandelt
das Buch von Max Schmid in Berlin: Die Darstellung
der Geburt Christi in der bildenden Kunst. Hier ist
namentlich die Anordnung des Stoffes zu loben.
Der Verfasser giebt zunächst einen ziemlich vollstän-
digen Katalog der Geburtsbilder bis gegen den Schluss
des ersten Jahrtausends, erzählt dann, was die Evan-
gelien und die Legenden über die Geburt Christi
aussagen, und nachdem er auf diese Art die litte-
rarische Tradition festgestellt hat, verfolgt er die
Entwickeluns der Geburtsscene in den bildenden
Künsten, das allmähliche Wachstum, die endgültigen
Formen derselben. Nach den Schlusssätzen Schmids
tritt im sechsten Jahrhundert ein Schwanken zwischen
den altüberlieferten und den neuen aus Byzanz ge-
holten Mustern ein, bis die karolingische Kunst wie-
der eine feste, abendländische Form der Geburts-
bilder schafft.

Sind diese beiden Bücher zum Lobe und Preise
der alten Kunst geschrieben, so versucht dagegen
eine kleine Schrift Wolframs ihr einen Ruhmestitel
zu rauben. Die Reiterstatuette Karls des Grossen
aus der Metzer Kathedrale, jetzt in Paris bewahrt,
soll nicht ein Werk des neunten Jahrhunderts, son-
dern die Arbeit eines Goldschmiedes, Francois, im
16. Jahrhundert sein. Völlig überzeugend sind die
Gründe des Metzer Archivars nicht. Weder sprechen
die Attribute des Kaisers notwendig gegen den Ur-
sprung im karolingischen Zeitalter, noch liegt eine
solche auf Täuschung berechnete Fälschung, ein ge-
künstelter Archaismus, im Charakter der Renaissance.

In das spätere Mittelalter führen uns zwei um-
fangreiche Bücher von Besscl und Neuwirth. Das
erstere schildert an der Hand einer Studie über den
Xantener Dom die Baufiihrung des Mittelalters. Das
Buch enthält aber noch mehr als eine sorgfältig ge-
führte Untersuchung über die Baumittel und die
Baukosten des niederrheinischen Domes. Der erste
Teil behandelt die Baugeschichte der Kirche des
h. Viktor, wobei der Verfasser kräftig für die histo-
rische Wahrheit der Legenden von der thebaischen
Legion und der h. Helena eintritt; der dritte Teil
lehrt uns die Ausstattung der Viktorkirche mit Stein-
bildern und Altären genau kennen. Nicht nur Kunst-
historiker, sondern auch Nationalökonomen werden
aus diesem auf gründlichen Detailstudien beruhenden,
ausserordentlich fleissig gearbeiteten Werke Bessels
viel lernen. Eine ähnliche Aufgabe stellte sich der
wackere Prager Kunsthistoriker Neuwirth in seinem
Buche: Die Wochenrechnungen und der Betrieb des
Prager Dombaues in den Jahren 1372—1378. Auch
 
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