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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 56.1920/​1921 (Oktober-März)

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Nr. 15
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Baum, Julius: Formwanderung
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https://doi.org/10.11588/diglit.36986#0287

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KUNSTCHRONfK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTION: HANS TIETZB
NR. 13 7. JANUAR 1921

FORMWANDBRUNG
VON JULIUS BAUM
(Mit 12 Abbildungen)
BAIE Bevorzugung der Künftlergelchichte in dem kunftwilfenfchaftlichen Betriebe
^ des 19. Jahrhunderts hat dazu geführt, daß weite Gebiete vernachläfkgt
Wurden. Eine vergleichende Formanlchauung tut not, die der vergleichenden
Sprachwiffenlchaft entfpricht. Sie wird zu der Erkenntnis führen, daß vie!
Ton dem, was für fchöpferifche Leiftung gehalten wurde, auf Überlieferung
beruht, daß überhaupt der Formüberlieferung, der Weiterbildung undNach-
geitaltung vorhandener Form mehr Bedeutung zukommt, als die Plagiatlchnüff 1er
eines allzu individualiftifchen Zeitalters je geglaubt haben. Es foli zunächft
die Vererbung von Formtypen innerhalb einer Schule gezeigt, fodann das
Verhältnis von Original und Nachbildung geprüft, endlich die Wanderung
der Formen außerhalb der Schulgemeinfdhaft unterfucht werden, und zwar
bauptfächlidi an Beifpielen des fpäteren Mittelalters.
Die Kunlt des frühen Mittelalters ift ohne Würdigung der Schulüber^
keferung gar nicht zu verliehen. Man erkennt die Zufammengehörigkeit mittels
alterlidier Werke daran, daß ihre Formen auf gemeinfame Vorbilder hin-
'Weifen*). Von Jeder Form gibt es zahlreiche unter einander kompolitionell
Und ftiliftilch verwandte Prägungen. Die Schuiüberlieferung zeigt lieh in der
dauernden Verwendung eines beftimmten Typenvorrates, delfen Formen !ang-
fam umgebildet werden. Das Syftem der Kunftfchule beruht demnach über-
liegend auf Nachahmung. Auch im fpäteren Mittelalter fetzt lieh diefer
Üiulmäßige Betrieb fort. Doch wird er einerfeits freier, dem Schüler größere
Selbitändigkeit im Erfinden geftattend, anderfeits, in beftimmten Kreifen, aka-
demifcher, indem er zum Schaffen bloß nach Regeln, zur Manier erftarrt.
Formwanderung durch Nachahmung innerhalb der Schule beweift
balgendes Beifpiel : Am füdlidien Chorportal der Heiligkreuz^Kirche in Gmünd
1) Eine in der Methode vorbifdfiAe Unterfudiung fofdier Zufammenhänge ift die Arbeit
o^ges. Eine deutfehe Materfchufe um die Wende des erften Jahrtaufends, Ergänzungsheft 7
zur Weftdeutfchen Zeitfchrift, Trier 1891.
 
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