Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]: Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler (57.1921/1922 (Oktober-März))

36 Aus einem Moskauer Brief — Das Kuppelmodell von St. Peter in Rom
ausgeben. Ein Porträt zu malen ift noch immer eine einträgliche Sache, wenn
auch ein Dutzend Millionen Rubel in Wirklichkeit keine große Summe mehr ilt.
Dies nebenbei. Die künftlerifche Reaktion, von der ich fprach, ilt. doch
vielleicht nicht nur kunftpolitifch, fondern auch in innerlichen Motiven begründet.
Wenigftens deutet manches, was man aus Paris hört, darauf hin. Unfere
jungen Revolutionäre waren fehr verdutzt, als die erften Abbildungen neuer
Werke von Picaflo hierher kamen. Erft erklärten fie es für Schwindel. Aber
allmählich muß man fich mit der Tatfache abfinden, die ja auch deutfdhe Schrift^
fteller feftftellen, Kandinsky foll die Abficht haben, nach Deutfchland zurück-
zukehren. Vielleicht, weil fein Weizen hier nicht mehr blüht. Noch herrfcht
nicht gerade Klarheit. Aber fo viel ift gewiß, daß ein Umlchwung fich vor«
bereitet, und daß die Blütezeit des Futurismus Vergangenheit ift. Was nun
kommt, weiß man nicht, wahrfcheinlich wird in Zukunft hier fehr viel weniger
von Kunft die Rede fein, und vielleicht ift das nicht das Schlechtefte, was
paffieren kann . . .
★
DAS KUPPELMODELL VON ST. PETER IN ROM
EINE ERWIDERUNG AN H. R. ALKER
VON DAGOBERT FREy
DA mir Alker's Arbeit über das Kuppelmodell noch nicht in Händen ift,
kann ich vorläufig nur auf Grund der Mitteilungen Marc Rofenberg's
in diefer Zeitfchrift1) und Sackur's im Zentralblatt der Bauverwaltung <vom
18. Juni 1921> zu den Ergebniflen feiner Unterfuchungen Stellung nehmen.
Ich glaube aber, daß fich der Kernpunkt der Divergenzen zwifchen Alker's
Anficht und den in meinen Michelangelo-Studien <1920> aufgeftellten Be-
hauptungen hinfichtlich der kunftgefchichtlich entfcheidenden Frage fchon jetzt
herausarbeiten läßt. Diefe lautet: Ift die Peterskuppel nach der Planung Michel«
anglo's ausgeführt, oder wurde diefe von Giacomo della Porta bei der Aus«
führung abgeändert?
Wir willen, daß Michelangelo auf Betreiben feiner Freunde in der Er-
kenntnis, daß die Kuppel zu feinen Lebzeiten nicht mehr vollendet werden
könne, ein Modell der Kuppel anfertigen ließ, das der fpäteren Ausführung
als Grundlage dienen füllte.
Mit diefem Modell follte nun ein noch heute in der Fabbrica von St. Peter
verwahrtes Modell identifch fein. Da nun diefes fowohl im ftark überhöhten
Kuppelprofil als auch in der Form der Laterne mit der Ausführung über«
einftimmt, mußte daraus der Schluß gezogen werden, daß die Ausführung
dem Plane Michelangelo's vollkommen entfpricht.

1> »Kunltdironik« Nr. 41/42 vom 8./15. Juli 1921,