Neue Porzellanliteratur
303
LITERATUR
Neue Porzellanliteratur
Innerhalb der letzten 15 Jahre find nicht
weniger als drei Werke über Ludwigsburger
Porzellan erfchienen, ohne daß damit ein
wefentlicher Fortfehritt, gefchweige denn ein
halbwegs befriedigender Abfchluß in der
Erforfchung der Württembergifchen Manu®
faktur zu verzeichnen wäre. Wanner®
Brandt's »Album der Erzeugnilfe der ehe®
maligen württembergilchen Manufaktur Alt«
Ludwigsburg, neblt kunftgelchichtlicher Ab«
handlung von Bertold Pfeiffer«, Stuttgart
1906, ift noch immer trotz feiner unge®
ordneten Tafeln ein unentbehrliches Nach®
fchlagewerk geblieben. Den erlten Verfuch,
die Ludwigsburger Porzellanplaltik nach
Meiltern zu ordnen, machte Leo Balet
in feinem 1911erfchienenen KatalogderLud«
wigsburger Figurenplaltik in der Stuttgarter
Altertümerfammlung. SeineZufchreibungen
wirkten fo überralchend, daß fie zunächft
gläubig hingenommen wurden, aber bei
näherer Prüfung erwielen fie lieh falt durch®
weg als unhaltbar. In dem jünglt erlchienenen
Werk von Hans Chrilt (Ludwigsburger
Porzellanfiguren, mit 162 Abbildungen
in Kupfertiefdruck, Deutlche Verlagsanftalt,
Stuttgart 1921>, das den erlten Band einer
von den Kunltfammlungen des Württemberg
gilchen Staates herausgegebenen Bücherreihe
bildet, ift nun eine ganz neue Gruppierung
der Ludwigsburger Figurenplaltik nach
dem Beltand im Mufeum Vaterländifcher
Altertümer in Stuttgart verfucht worden.
Da Chrilt neues urkundliches Material
nicht beizubringen vermochte, war er wie
Balet vorwiegend auf liilkritilche Unter®
fuchungen angewiefen. Daß diefe aber bei
einem Material wie dem Porzellan nur allzu
leicht verfagen mülfen, ift ohne weiteres
klar. Wie foll fich die fiilkritifche Methode
ohne urkundliche Grundlagen bei plaltifchen
Werken zweiten und dritten Ranges be®
währen, wenn fie fchon bei den hervor®
ragendlten Ludwigsburger Figuren, den
Mufikfolis und verwandten Arbeiten,
verfagt! Die Akten der Ludwigsburger
Manufaktur find fo lückenhaft, daß keine
Hoffnung belteht, Jemals ein gleich zuver®
läffiges Werk wie z. B. das von Georg
Lenz über die Berliner Manufaktur zu
erhalten, bei der falt fämtliche Figuren®
und Gefchirrmodelle urkundlich feltgelegt
find, fo daß über Urheber und Entltehungs®
zeit kaum irgend ein Zweifel herrfcht. Bei
Ludwigsburg kennen wir zwar die Namen
der Obermodellmeilter, Boffierer, Malerund
Dreher aus den Akten der Manufaktur,
aus Kirchenregiltern und Adreßbüchern, aber
nirgends finden fich befiimmte Verzeichnilfe
ihrer Arbeiten. Die beften Figurenmodelle
flammen von der Hand der akademifchen
Bildhauer, und diefe werden in den Akten
der Manufaktur überhaupt nicht genannt,
felbft wenn fie, wie Wilhelm Beyer, in
einem fehr engen Verhältnis zu der herzog®
liehen Fabrik fianden. Die Angeftellien
der Fabrik, die Obermodellmeilter und
Boffierer, haben Figuren von hoher künftle«
rifcher Bedeutung nicht hervorgebracht,- fie
arbeiteten fo gut fie konnten im Stil der
Akademiker, die direkt oder indirekt ihre
Lehrmeiltet waren. So finden fich neben
den an Zahl geringen, aber künfilerifch
hochwertigen Modellen von Beyer und
dem anonymen »Modelleur der Volks®
typen« <bei Balet »Lejeune«> zahllofe
mittelmäßige Arbeiten, die wie fchlechte
Karikaturen auf die typifchen Meilterfiguren
wirken. Die Namen all diefer fchwachen
Nachahmer feftzuftellen, erlcheint neben®
fächlich, folange es nicht gelingt, die Ur®
heber der wirklich bedeutenden Figuren
zu ermitteln.
Die Puftelli=Frage ift inzwifchen durch
die Unterfuchungen Friedrich H. Hofmann's
einigermaßen geklärt worden. Es hat fich
herausgeftellt, daß der in Bürk's Adreßbuch
1761 und 1762 genannte Obermodellmeilter
Franz Anton Pufielli mit dem berühmten
Nymphenburger Meiller Bufielli identifch ift,
der eine Berufung an die Ludwigsburger Ma«
nufaktur erhielt. Unter den Ludwigsburger
Figuren läßt fich aber nicht eine einzige als lein
Werk erkennen. Die zahlreichen, von Balet
unter dem Namen Pufielli zufammenge®
(teilten, ficherlich aber verfchiedenen Händen
angehörenden Figuren mußten daher wieder
aufgeteilt werden. Wilhelm Beye/s Anteil
an der Ludwigsburger Figurenplaltik fieht
durch feinebeiden Kupferftichwerke größten«
teils fefi. Die feit Jeher vielumfirittenen
Mufikfoli und verwandte Stücke hat Chrift
im Anfchluß an Otto v. Falke in das Werk
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LITERATUR
Neue Porzellanliteratur
Innerhalb der letzten 15 Jahre find nicht
weniger als drei Werke über Ludwigsburger
Porzellan erfchienen, ohne daß damit ein
wefentlicher Fortfehritt, gefchweige denn ein
halbwegs befriedigender Abfchluß in der
Erforfchung der Württembergifchen Manu®
faktur zu verzeichnen wäre. Wanner®
Brandt's »Album der Erzeugnilfe der ehe®
maligen württembergilchen Manufaktur Alt«
Ludwigsburg, neblt kunftgelchichtlicher Ab«
handlung von Bertold Pfeiffer«, Stuttgart
1906, ift noch immer trotz feiner unge®
ordneten Tafeln ein unentbehrliches Nach®
fchlagewerk geblieben. Den erlten Verfuch,
die Ludwigsburger Porzellanplaltik nach
Meiltern zu ordnen, machte Leo Balet
in feinem 1911erfchienenen KatalogderLud«
wigsburger Figurenplaltik in der Stuttgarter
Altertümerfammlung. SeineZufchreibungen
wirkten fo überralchend, daß fie zunächft
gläubig hingenommen wurden, aber bei
näherer Prüfung erwielen fie lieh falt durch®
weg als unhaltbar. In dem jünglt erlchienenen
Werk von Hans Chrilt (Ludwigsburger
Porzellanfiguren, mit 162 Abbildungen
in Kupfertiefdruck, Deutlche Verlagsanftalt,
Stuttgart 1921>, das den erlten Band einer
von den Kunltfammlungen des Württemberg
gilchen Staates herausgegebenen Bücherreihe
bildet, ift nun eine ganz neue Gruppierung
der Ludwigsburger Figurenplaltik nach
dem Beltand im Mufeum Vaterländifcher
Altertümer in Stuttgart verfucht worden.
Da Chrilt neues urkundliches Material
nicht beizubringen vermochte, war er wie
Balet vorwiegend auf liilkritilche Unter®
fuchungen angewiefen. Daß diefe aber bei
einem Material wie dem Porzellan nur allzu
leicht verfagen mülfen, ift ohne weiteres
klar. Wie foll fich die fiilkritifche Methode
ohne urkundliche Grundlagen bei plaltifchen
Werken zweiten und dritten Ranges be®
währen, wenn fie fchon bei den hervor®
ragendlten Ludwigsburger Figuren, den
Mufikfolis und verwandten Arbeiten,
verfagt! Die Akten der Ludwigsburger
Manufaktur find fo lückenhaft, daß keine
Hoffnung belteht, Jemals ein gleich zuver®
läffiges Werk wie z. B. das von Georg
Lenz über die Berliner Manufaktur zu
erhalten, bei der falt fämtliche Figuren®
und Gefchirrmodelle urkundlich feltgelegt
find, fo daß über Urheber und Entltehungs®
zeit kaum irgend ein Zweifel herrfcht. Bei
Ludwigsburg kennen wir zwar die Namen
der Obermodellmeilter, Boffierer, Malerund
Dreher aus den Akten der Manufaktur,
aus Kirchenregiltern und Adreßbüchern, aber
nirgends finden fich befiimmte Verzeichnilfe
ihrer Arbeiten. Die beften Figurenmodelle
flammen von der Hand der akademifchen
Bildhauer, und diefe werden in den Akten
der Manufaktur überhaupt nicht genannt,
felbft wenn fie, wie Wilhelm Beyer, in
einem fehr engen Verhältnis zu der herzog®
liehen Fabrik fianden. Die Angeftellien
der Fabrik, die Obermodellmeilter und
Boffierer, haben Figuren von hoher künftle«
rifcher Bedeutung nicht hervorgebracht,- fie
arbeiteten fo gut fie konnten im Stil der
Akademiker, die direkt oder indirekt ihre
Lehrmeiltet waren. So finden fich neben
den an Zahl geringen, aber künfilerifch
hochwertigen Modellen von Beyer und
dem anonymen »Modelleur der Volks®
typen« <bei Balet »Lejeune«> zahllofe
mittelmäßige Arbeiten, die wie fchlechte
Karikaturen auf die typifchen Meilterfiguren
wirken. Die Namen all diefer fchwachen
Nachahmer feftzuftellen, erlcheint neben®
fächlich, folange es nicht gelingt, die Ur®
heber der wirklich bedeutenden Figuren
zu ermitteln.
Die Puftelli=Frage ift inzwifchen durch
die Unterfuchungen Friedrich H. Hofmann's
einigermaßen geklärt worden. Es hat fich
herausgeftellt, daß der in Bürk's Adreßbuch
1761 und 1762 genannte Obermodellmeilter
Franz Anton Pufielli mit dem berühmten
Nymphenburger Meiller Bufielli identifch ift,
der eine Berufung an die Ludwigsburger Ma«
nufaktur erhielt. Unter den Ludwigsburger
Figuren läßt fich aber nicht eine einzige als lein
Werk erkennen. Die zahlreichen, von Balet
unter dem Namen Pufielli zufammenge®
(teilten, ficherlich aber verfchiedenen Händen
angehörenden Figuren mußten daher wieder
aufgeteilt werden. Wilhelm Beye/s Anteil
an der Ludwigsburger Figurenplaltik fieht
durch feinebeiden Kupferftichwerke größten«
teils fefi. Die feit Jeher vielumfirittenen
Mufikfoli und verwandte Stücke hat Chrift
im Anfchluß an Otto v. Falke in das Werk