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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (Oktober-März)

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Nr. 7
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Sydow, Eckart von: Die geistigen Voraussetzungen des Kunstschaffens der Naturvölker
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https://doi.org/10.11588/diglit.37098#0141

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTION: HANS TIETZE
NR. 7 11. NOVEMBER 1921

DIE GEISTIGEN VORAUSSETZUNGEN
DES KUNSTSCHAFFENS DER NATURVÖLKER
VON ECKART VON SyDOW

ES wäre von rechtswegen die Obliegenheit der Völkerkundler gewefen,
das Material für die Arbeit, die mit diefem Thema umgrenzt ilt, nicht
nur bereit zu Hellen, fondern auch zu bearbeiten. Das ilt nicht gefchehen:
die ethnographifche Literatur bezeugt eine hartnäckige Unintereffiertheit für
die Kunltproduktion der Primitiven. Die fo oft gerügte herzlofe Aufhellung
der Masken, Ahnenfiguren ufw. dokumentiert unzweideutig den Mangel inner-
licher Anteilnahme. So blieb es anderen Disziplinen überladen, folche Ver-
fäumnis auszugleichen. Das gefchah auf dem zwiefachen Wege der pfycho-
logifchen Unterfuchung und der künltlerifchen Praxis. Diejenigen, die diefe
Wege bahnten, vollführten in gänzlich wechfelfeitiger Unbekanntfchaft ihr
dennoch gleichgerichtetes Werk, — gleichgerichtet, wenn auch die Praxis natür-
lich bald ihre eigenen Tatfachen formulierte. So fagt z. B. Levy-Brühl, dem
wir die tieffte Forfchung über die Pfychologie der Naturvölker verdanken:
es »belteht für einen Menfchen unferer Gefellfchaft . . . eine unüberwind-
liche Schwierigkeit, (ich in die primitive Denkweife zu finden«. Und doch
bezeugt Geh der innere Zufammenhang der europäifchen Kultur — wenigltens
in ihrer lebendig regfamlten Schicht — darin, daß das ausgezeichnete Buch,
das diefe verneinende Formel enthält und an einer Überfülle von Beifpielen
zu belegen fucht, im Jahre 1910 erfchien, alfo zu einer Zeit, da Picalfo's Bild
einer exotifchen Maske <»Kopf«, 1907> Auffehen erregte und die Künltler
der Dresdener »Brüche« die Arbeiten der Primitiven Itudierten, in Geh lebendig
werden ließen. Es entfpricht nur zu gut der weiteren Entwicklung, daß eine
deutfehe Überfetzung des Buches von L. Levy-Brühl: »Das Denken der
Nat urvölker« <herausgegeben und eingeleitet von W. Jerufalem, 1921,
Verlag W. Braumüller> jetzt erfcheint, da vielfeitige Bemühung Geh auf das
Verltändnis der Primitivität richtet, das fchöpferilche Erlebnis, das einzelnen
aus der Anregung durch die Exoten entfprang, denkerifch zu durchleuchten
unternimmt. Mit der ganzen traditionellen, man darf ruhig fagen: unver-
gleichlichen Feinfühligkeit der franzöfifchen Pfychologen der Artung Th. Ribot's
verbindet Geh bei Levy^Brühl ein enzyklopädifches Wilfen um die Ergebnilfe
der franzöfifchen und englifchen Ethnologie,- die deutlche Literatur kommt da-

Nr. 7. 11. XI. 21
 
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