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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (Oktober-März)

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Nr. 11
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Tietze, Hans: Die Biblioteca Rossiana in Wien
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Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.37098#0210

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184

Die Biblioteca Roffiana in Wien — Literatur

traltierung von einft und jetzt wieder einmal den jähen Fall, den wir getan
haben.
Im übrigen kann der Verlult nicht mit jenem verglichen werden, den
Wien durch die Abgabe einzelnen Kunftgutes an Italien erlitten hat; denn
hier handelte es fich um ein in jedem Sinne öffentliches Eigentum, im Fall
der Roffiana um eine private Bibliothek, die nur einem winzigen Kreife von
Spezialforlchern zugänglich gewefen ift. Diefe werden fich allerdings fchwer
mit der Auffalfung tröften können, daß die Aufltellung diefer, größtenteils aus
Italien und großenteils aus dem alten Collegium Capranicenfe in Rom ftam«
menden Bibliothek in der Vatikana für die internationale Wilfenfchaft förder-
licher fei, als ihre Unterbringung in dem befcheidenen abgelegenen geiltlichen
Haufe in der Wiener Vorftadt; tatfächlich geht uns ein außerordentliches
Arbeitsmaterial, das die Schätze der Nationalbibliothek in manchen Punkten
fehr wefentlich ergänzte, für immer verloren. Den befonderen Reichtum der
Bibliothek bildeten ihre Handfchriften und Inkunabel,- über letztere hat ihr
verftorbener Bibliothekar P. Alois Dichtl jahrelang gearbeitet, ohne daß meines
Willens auch nur ein Teil des von ihm vorbereiteten Kataloges erfchienen
wäre,- von den Handfchriften hat Gollob in den Sitzungsberichten der Wiener
Akadamie der Wiffenfchaften <Band 158 und 161> Nachricht gegeben. Die
Befchreibung der Miniaturhandfchriften habe ich als V, Band des Verzeichniffes
der illuminierten Handfchriften in Öfterreich (Leipzig 1911> veröffentlicht, auf
den ich nun verweilen kann,- wenn ich den Band mit dem fpeziell für die
Gefchichte der italienifchen Miniaturmalerei fo außerordentlich wichtigen Ma«
terial durchblättre und an die Monate denke, die ich dort in einfamer Arbeit
verbracht habe, werde ich der ganzen Bitterkeit unferes Zufammenbruchs wieder
inne. Denn liegt nicht ihr fchärffter Stachel darin, daß unferer Arbeit Zweck
und Ziel zertrümmert wurde?

LITERATUR
W. Molsdorf, Führer durch den fym-
bolifchenund typologifchenBilder-
kreis der chriltlichen Kunlt des Mittel«
alters. Mit 9 Tafeln. Leipzig, Karl W.
Hierfemann.
Die chri(tliche Ikonographie belebt fich aufs
neue. Das hat fymptomatifche Bedeutung.
Die Hiltorie beginnt die menfchlichen Äu-
ßerungen der Vergangenheit als organifches
Ganzes zu fehen, dellen Teile nicht in ihrer
Losgeriffenheit und nicht allein mit dem
Blick des abgefchlolfenen Zünftlers zu ver-
Itehen find. Wenn die Kunftgefchichte
diefer Erkenntnis nicht widerlteht, muß

fie nach langer und wahrlich auch frucht-
barer Vorherrfchaft der älthetifchen Betrach-
tung endlich wieder auf die Kategorien
des feelifdien Verhaltens gegenüber der
finnlichen Wirklichkeit eingehen und auf
das Verltändnis der innern Urfache dringen,
von denen Stil und Stilwandlungen, Auf-
kommen und Verfchwinden auch gewilfer
Gegenltände der Darftellung mitbefiimmt
find. Noch ilt ja die Zeit nicht reif für
größere Verfuche diefer Art, etwa eine
gelchichtliche Betrachtung der chriltlichen
Frömmigkeit als künltlerifchen Formprin-
zips, aber die Aufgabe foll gefehen und
ihre Erfüllung von Berufenen vorgebahnt
 
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