Woldemar von Seidlitz
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Als Seidlitz am 1. April 1919 aus feinem Amte fchied, war eine neue Zeit
angebrochen, die von feinen unendlichen Verdienften wenig mehr wußte und
nach Epigonenart geringfchätzig auf vieles herabblickte, wofür er ein Men-
fchenleben hindurch in den vorderlten Reihen des Kampfes um eine jugend-
ftarke Kunft geltanden hatte. Man forderte, er Folie auch mit 70 Jahren
noch für die Jüngften der Jungen eintreten, feinen auf langjähriger Über-
zeugung beruhenden Anfchauungen von dem, was echt und bleibend fei,
entfagen und fich zum Schrittmacher ihrer oft höchft problematifchen Bedeutung
degradieren.
In der Tagesprefle erhoben fich fogar vereinzelt Stimmen, die ungerecht
genug waren, ihm vorzuwerfen, daß er in der Oberleitung der Galerie, die doch
nur bedingt in feinen Händen gelegen hatte, grobe Fehler begangen habe.
Auch diefe wohl von niemand fo wenig wie von ihm verdienten BefchuL
digungen trug er mit der ihm eigenen Gelalfenheit und hielt es mit Recht
für unter feiner Würde, auf folche Anzapfungen zu antworten. Er blieb in
der Unerfchütterlichkeit feiner im edelften Sinne ariftokratifchen Gefinnung fich
felber treu und ließ mit gleicher Ruhe die Toren wie die Böswilligen reden.
— Ich erinnere mich in einer falt ein halbes Jahrhundert umfpannenden Freund^
fchaft nicht, ihn jemals erzürnt oder auch nur erregt gefehen zu haben. Im
Gegenteil, feine unentwegte, leidenfchaftslofe Sachlichkeit hat mein lebhafter
geartetes Temperament mitunter auf harte Proben geftellt. Schließlich fagte
ich mir: »II a les defauts de ses vertus«. — Er war eine groß angelegte,
nach hohen Zielen ftrebende Perfönlichkeit, ein immer von den edelften und
reinften Abfichten geleiteter Menfch, dem nicht nur die Dresdner KunlD
fammlungen, fondern alle Gutgefinnten, die ihm im Leben nahezutreten das
Glück hatten, zu unauslöfchlichem Dank verpflichtet bleiben. Und fchließlich
fagt fchon Horaz: »Principibus placuisse viris non ultima laus est!« — Nimmer
das fchlechtefte Lob bleibt die Anerkennung der Belten.
★
DIE BILDENDEN KÜNSTE
IM RAHMEN DER PREUSSISCHEN VERWALTUNG
VON WILHELM WAETZOLDT
Je Pflege der künftlerifchen Angelegenheiten in Preußen liegt nicht in einer
J—' Hand. Vielmehr gehören die verlchiedenen Fachgebiete: künftlerilches
Bildungswefen — Verwaltung der Kunftfammlungen — Denkmalspflege —
Auftrags- und Ausftellungswefen — Hochbauverwaltung ufw. zu den Ver-
waltungsbereichen mehrerer Minifterien. Diefe gelchichtlich gewordenen und
mit der Entwicklung der preußifchen Zentralbehörden verknüpften Verhält-
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Als Seidlitz am 1. April 1919 aus feinem Amte fchied, war eine neue Zeit
angebrochen, die von feinen unendlichen Verdienften wenig mehr wußte und
nach Epigonenart geringfchätzig auf vieles herabblickte, wofür er ein Men-
fchenleben hindurch in den vorderlten Reihen des Kampfes um eine jugend-
ftarke Kunft geltanden hatte. Man forderte, er Folie auch mit 70 Jahren
noch für die Jüngften der Jungen eintreten, feinen auf langjähriger Über-
zeugung beruhenden Anfchauungen von dem, was echt und bleibend fei,
entfagen und fich zum Schrittmacher ihrer oft höchft problematifchen Bedeutung
degradieren.
In der Tagesprefle erhoben fich fogar vereinzelt Stimmen, die ungerecht
genug waren, ihm vorzuwerfen, daß er in der Oberleitung der Galerie, die doch
nur bedingt in feinen Händen gelegen hatte, grobe Fehler begangen habe.
Auch diefe wohl von niemand fo wenig wie von ihm verdienten BefchuL
digungen trug er mit der ihm eigenen Gelalfenheit und hielt es mit Recht
für unter feiner Würde, auf folche Anzapfungen zu antworten. Er blieb in
der Unerfchütterlichkeit feiner im edelften Sinne ariftokratifchen Gefinnung fich
felber treu und ließ mit gleicher Ruhe die Toren wie die Böswilligen reden.
— Ich erinnere mich in einer falt ein halbes Jahrhundert umfpannenden Freund^
fchaft nicht, ihn jemals erzürnt oder auch nur erregt gefehen zu haben. Im
Gegenteil, feine unentwegte, leidenfchaftslofe Sachlichkeit hat mein lebhafter
geartetes Temperament mitunter auf harte Proben geftellt. Schließlich fagte
ich mir: »II a les defauts de ses vertus«. — Er war eine groß angelegte,
nach hohen Zielen ftrebende Perfönlichkeit, ein immer von den edelften und
reinften Abfichten geleiteter Menfch, dem nicht nur die Dresdner KunlD
fammlungen, fondern alle Gutgefinnten, die ihm im Leben nahezutreten das
Glück hatten, zu unauslöfchlichem Dank verpflichtet bleiben. Und fchließlich
fagt fchon Horaz: »Principibus placuisse viris non ultima laus est!« — Nimmer
das fchlechtefte Lob bleibt die Anerkennung der Belten.
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DIE BILDENDEN KÜNSTE
IM RAHMEN DER PREUSSISCHEN VERWALTUNG
VON WILHELM WAETZOLDT
Je Pflege der künftlerifchen Angelegenheiten in Preußen liegt nicht in einer
J—' Hand. Vielmehr gehören die verlchiedenen Fachgebiete: künftlerilches
Bildungswefen — Verwaltung der Kunftfammlungen — Denkmalspflege —
Auftrags- und Ausftellungswefen — Hochbauverwaltung ufw. zu den Ver-
waltungsbereichen mehrerer Minifterien. Diefe gelchichtlich gewordenen und
mit der Entwicklung der preußifchen Zentralbehörden verknüpften Verhält-