Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (Oktober-März)

DOI issue:
Nr. 16
DOI article:
Hübner, Friedrich Markus: Belgischer Brief
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37098#0285

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT

HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTIONi HANS TIETZE

1922

13. JANUAR

NR. 16

BELGISCHER BRIEF

VON FRIEDRICH MARKUS HUEBNER

ER belgifche Minifter für die fchönen Künfte, Jules Destree, von dem


hier des öfteren die Rede war, hat nach zweijähriger Tätigkeit infolge
des belgifchen Kabinetiswechfels feinen Poften verlaßen müßen. Nadi dem
Kriege, als fich die Gelegenheit bot, mit manchem veralteten Schlendrian auf-
zuräumen, war Destree mit feiner taktifch=politifchen Erfahrung, mit feiner
Unternehmungsfrifche und mit feiner künftlerifchen Kennerfchaft befonders an
feinem Platze. Vor allem belebte er das Mufeumswefen, Aufhänge- und
Gruppierungsweife ward durch ihn modernifiert, das Publikum durch Ver-
anftaltung von Führungen in die Mufeen gelockt. Unter den fonftigen Re-
formen, die er einführte, fei noch auf das Befitzftandverzeichnis hingewiefen,
das er von denjenigen Gemälden und Bildhauwerken anfertigen ließ, die lieh
in den belgifchen Amtsßuben im Laufe der Jahre angefammelt haben. Auf
Grund diefes Verzeichnifles will der belgifche Staat denjenigen Teil, der fich
als wertlos herausftellt, an private Käufer abftoßen, den Reft aber aus den
Amtsgebäuden herausführen und durch periodifche Ausleihungen an Mufeen
den Blicken der Öffentlichkeit zugänglich machen. Die entftehende Leere in
den Minifterzimmern foll durch Ankäufe moderner Werke wieder angefüllt
werden. Auch in den Bildnisaufträgen, die von der Kammer und dem Senat
zu vergeben find, offenbart fich neuerdings ein größeres Wohlwollen gegen-
über den künftlerifchen Fortfchrittlern. Kammer und Senat laßen regelmäßig
ihre Verfammlungsvorfitzenden auf der Leinwand verewigen, die Präfidenten-
galerie diefer gefetzgebenden Körperfchaften zeigt mehr der Naturähnlichkeit
als der künftlerifchen Steigerungskraft beflißene Leiftungen. Nun aber hat
man für den früheren Senatspräfidenten Baron de Favereau den Maler Phil.
Swynkop, für die ehemaligen Kammervoifitzenden Prosper Poullet und
Emile Brunet die beiden Maler Gustave van de Woestyne und Theo van
Rysselberghe herangezogen.
Auf Destrees Einfluß geht es gleichfalls zurück, daß der belgifche Rom-
preis aufgehoben wurde. Da an feine Erteilung Bedingungen geknüpft
waren, durch die für die Gegenwartskünftler eher Hemmungen als Förde-
rungen entliehen mußten, da übrigens der Wettbewerb auch mehr und mehr
abnahm, wurden an feiner Stelle Stipendien ausgefetzt, die Zukunftverfpre«
 
Annotationen