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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (Oktober-März)

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Nr. 8
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Dorner, Alexander: Über den Sinn der Denkmalpflege
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Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.37098#0160

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134

Über den Sinn der Denkmalpflege — Literatur

von einer ftatifchen zu einer dynamifchen und damit zu der Aufgabe eines
höheren Denkens. Der letzteren aber ift die Verwertung der Gefchichte bei
einem entwicklungsgefchichtlichen Denken zu vergleichen, da die Verwertung
die erhaltende Rolle der Gefchichte nebenher noch fpielt.
Ein entwicklungsgefchichtliches Denken aber — das liegt im Sinne des
Wortes fordert notwendig eine Denkmalpflege. Und wenn wir nun den
Kreis der Überlegungen Ichließend zur Tietzefchen Anfangsfrage zurückkehren:
wie kann Denkmalpflege prinzipiell eine fruchtbringende Verbindung mit der
Gegenwart haben, — fo werden wir antworten: wenn fie das entwicklungs^
gefchichtliche Denken fördert. Diefer Aufgabe aber genügt fie dadurch, daß
fie nicht alle alten, fondern nur die alten Denkmäler pflegt, die entwich^
lungsgefchichtlich bedeutfam find.
Diefer Standpunkt fcheint nicht nur für die Pflege naturwiflenfchafilicher
und prähiftorifcher, fondern auch für die von Kunftdenkmalen der gegebene,
da die Fälle, wo die entwicklungsgefchichtliche Bedeutung des Kunltwerkes
fich nicht mit feiner künftlerifchen Größe deckt, zu zählen fein werden. Auch
auf die Kunftmufeen angewandt, wird diefer Standpunkt fich als der richtige
erweifen, da fo neben der Eigenfchaft des Ausftellungsinftitutes, das fich dem
Zeitgefchmack anpaßt, die des Belehrungsinftitutes im entwicklungsgefchicht^
liehen Sinne zu Worte kommt.
Wie die rationaliftifche Gefchichtsauffadung Vorltufe und Vorbedingung
des entwicklungsgefchichtlichen Denkens ilt, fo die ehemalige Denkmalpflege
Vorausfetzung für die zukünftige. So fcheint auch hier die Regel ihre Gel-
tung zu haben, daß nicht Negierung des Vorhergehenden, fondern Verarbei-
tung einen Schritt nach vorne bedeutet. Verarbeitung aber ift nur möglich
auf Grund und in Übereinftimmung mit den Wandlungen unferes Denkens.
Das entwicklungsgefchichtliche Denken braucht eine Denkmalpflege. Das und
nicht die freundliche Rückfichtnahme auf die zu erwartenden Gefchmacks-
wandlungen der Zukunft ift der letzte Grund für die Notwendigkeit der
Denkmalpflege.

LITERATUR
C. Petranu, Inhaltsproblem und
Kunftgefchichte. Einleitende Studien.
»Arbeiten des Kh. Inft. d. Wien. Univ.
Lehrk. Strzygowski«, Bd XXII. 8°, 164 S.
Wien 1921 bei Halm 'S) Goldmann.
Eine fpäte Frucht der vergangenen ma-
terialiftifchen Weltanfchauungsepoche des
endenden 19. Jahrhunderts war auf kunft»
gefchichtlichem Gebiete das plötzliche Em-
porkommen der formalen Analyfe, der

Triumph der »Form«, der die Vernach-
läffigung des geiftigen Gehalts, des »In»
halts« nach fich zog. Diefe Evolution der
»Form« hatte ihren Urfprung fowohl in
der fie allein pflegenden Kunlt der jüngft»
vergangenen Epoche (Hildebrand, Marees,
Impreffionismus u. a.>, wie auch im Streben
der Gefchichtswiflenfchaften nach möglichfter
objektiver Exaktheit. »Form« läßt fich
exakt behandeln, »Inhalt« nicht. Allge-
mein, von einer größeren Anzahl von Be*
 
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