Römifche Figur bei Tizian
203
Tizian: Danae (Neapel)
madonna <1506>1> hatte wohl den wunden Punkt der damaligen Tizianifähen
Kunlt getroffen. Daß mit einer einfachen Herübernahme von Figuren aus
dem klaffifchen Formenfchatz nichts Wefentliches geholfen war, hatte er bei
der von einem antiken Sarkophag Rammenden fog. »Ariadne« auf dem für
Alfonso d'Este gemalten »Bacchanal« eingefehen. Die Dinge wollten von
innen heraus verltanden und befeelt fein, wenn fie das für das große Format
nötige Volumen behtzen follten. In dem in Brescia 1523 abgelieferten Al-
tar der Auferltehung Chrilti, der fo unvenezianifch wie möglich anmutet,
erfcheint er ein wenig leer. Aber die Figur des hl. Sebaltian in dem Seiten^
teil rechts bezeichnete er felblt immer und immer wieder als die beite Figur,
die ihm je gelungen wäre. Das Neue, das ihn fo intereffierte und das er
nun fo dringend brauchte, Itarke Entwicklung des Volumens, reiche Ver-
fchiebung der Achfen, muskulöfe Einzelform und fpredhende Betonung der
Gelenke, war ihm tatsächlich in ungewöhnlichem Grade geglückt. Aber es
war ihm nur geglückt, weil er hier die Antike um ihr Geheimnis befragt
hatte: Der mediceifche Faun hat zu diefer Figur Pate geltenden, in viel
tieferem Sinne als ihm der Laokoonkopf in dem aufblickenden Nikolaus
1) Dürer hat in feiner in Venedig entltandenen Madonna mit dem Zeifig Tizian's
Kirfchenmadonna für die Hand >altung der Madonna benutzt, zugleich aber Tizian's Zeich-
nungsfchwäche durch ftarke Modellierung überwunden.
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Tizian: Danae (Neapel)
madonna <1506>1> hatte wohl den wunden Punkt der damaligen Tizianifähen
Kunlt getroffen. Daß mit einer einfachen Herübernahme von Figuren aus
dem klaffifchen Formenfchatz nichts Wefentliches geholfen war, hatte er bei
der von einem antiken Sarkophag Rammenden fog. »Ariadne« auf dem für
Alfonso d'Este gemalten »Bacchanal« eingefehen. Die Dinge wollten von
innen heraus verltanden und befeelt fein, wenn fie das für das große Format
nötige Volumen behtzen follten. In dem in Brescia 1523 abgelieferten Al-
tar der Auferltehung Chrilti, der fo unvenezianifch wie möglich anmutet,
erfcheint er ein wenig leer. Aber die Figur des hl. Sebaltian in dem Seiten^
teil rechts bezeichnete er felblt immer und immer wieder als die beite Figur,
die ihm je gelungen wäre. Das Neue, das ihn fo intereffierte und das er
nun fo dringend brauchte, Itarke Entwicklung des Volumens, reiche Ver-
fchiebung der Achfen, muskulöfe Einzelform und fpredhende Betonung der
Gelenke, war ihm tatsächlich in ungewöhnlichem Grade geglückt. Aber es
war ihm nur geglückt, weil er hier die Antike um ihr Geheimnis befragt
hatte: Der mediceifche Faun hat zu diefer Figur Pate geltenden, in viel
tieferem Sinne als ihm der Laokoonkopf in dem aufblickenden Nikolaus
1) Dürer hat in feiner in Venedig entltandenen Madonna mit dem Zeifig Tizian's
Kirfchenmadonna für die Hand >altung der Madonna benutzt, zugleich aber Tizian's Zeich-
nungsfchwäche durch ftarke Modellierung überwunden.