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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

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Heft 13 (1. Aprilheft 1913)
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Stapel, Wilhelm: Parlamentarische Einstimmigkeit
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Zu der einmaligen Vermögensabgabe
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0038

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dabei auf folgendes kommen: Die Zusammensetzung der Kammer zeigte
eine sehr glückliche Mischung: eine Mehrzahl von Männern mit prak--
tischer Berufsklugheit und gesundem natürlichen Instinkt, dazu einige
wenige Persönlichkeiten von umfassendem Geist und vollendeter Kultur.
Dajz ein Parlament nur aus der „Elite der Nation" bestehe, ist ja
eines jener wertlosen Ideale, die sich in Köpfen fern vom werktätigen
Leben des Volkes bilden. Ludwig Uhland hat gewußt, was eine Volks--
vertretung braucht, wenn er forderte: ein Duft bürgerlicher Hantierung
solle sie durchwehen. Wer nicht bloß die Reden an den »großen Tagen"
des Parlaments gehört, sondern einmal die wirkliche Gesetzesarbeit be«
obachtet hat, weiß, wie hilflos die „geistige Elite" ohne die nüchterne
Sachkenntnis und Erfahrung der praktischen Arbeiter unsrer Gesellschaft
ist. Womit nicht behauptet sein soll, daß geistig überragende Männer
einer Volksvertretung fehlen dürften. Sie bringen den großen Zug
einheitlicher Absichten und Anschauungen in das Gesetzgebungswerk. Nur
aus einer glücklichen gegenseitigen Ergänzung beider Elemente ergeben
sich Erfolge, wie sie der württembergische Landtag aufzuweisen hat. Ein
Verdienst daran hat freilich auch die württembergische Regierung. Das
Ministerium Weizsäcker wußte seine Würde zu wahren, ohne eine
Verachtung des Gegners zur Schau zu stellen, oder mit Empörung,
Abscheu, Gekränktheit und dergleichen Stimmungen zu arbeiten. Es
galt ihm nicht als das Verdienst, unter allen Amständen mit „scharfen"
Reden gegen die Opposition zu Felde zu ziehen, der „Kampf" gegen
den „Feind der Regierung" galt ihm nicht als Maßstab staatsmännischer
Leistung, sondern nur der wirkliche parlamentarische Erfolg. In einer
solchen Atmosphäre entwickelte sich dann auch eine Sozialdemokratie,
die mehr leistet als Deklamationen, und die die Durchführung schlechter
Gewohnheiten aus einer ungenügenden Kinderstube nicht für Helden-
taten ansieht. Endlich wäre zu erwähnen der Einfluß der Parteiführer,
insbesondere des Präsidenten des Hauses. Wo an der Spitze der Par-
teien bloße Laktiker und nicht Männer von starkem ethischen Gehalt
stehen, wird man über den üblichen „Kampf" nicht hinauskommen.

Sollte sich nun der Grundsatz der Einstimmigkeit nicht auch auf andere
deutsche Parlamente, nicht auch auf den Reichstag übertragen lassen?
Wenigstens für Kulturfragen müßte das möglich sein. Wo ist die
Partei, die diesen Grundsatz in ihr Programm aufnimmt?

Wilhelm Stapel

Z« der einmaligen Vermögensabgabe

tzM^u den schlechtesten Eigenschaften der Parteipolitik gehört es, daß
^^sie über die volkswirtschaftlichen Wirkungen neuer Steuern meist
^Ifalsche Vorstellungen Weckt. Einem Parteipolitiker erscheinen Steuern
in dem Maße „ungerecht", wie sie Gruppen abgeschröpft werden, für die
er mit seinen politischen Freunden eintritt, und soweit „gerecht", wie sie
die Gegner aufbringen müssen. Der 1'ertiu8 Zauäeu8 im Streite um
„gerechte Steuern" ist immer die Regierung; denn die Volksvertreter
vergessen dabei fast regelmäßig ihre wichtigste Aufgabe: für Sicherheiten
zu sorgen, daß die neuen SLeuerleistungen durch Gegenleistungen des
Staates, die das Gemeinwohl wirklich fördern, mindestens aufgewogen
werden.

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