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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

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Heft 15 (1. Maiheft 1913)
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Miltitz, Dietrich von: "Die Gesellschaft"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0201

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„Die Gesellschaft"

hM^eitungen und Zeitschriften vom Schlage der „Woche" und des
^^„Sport im Bild" pflegen uns über eine Wenge unglanblich
^Igleichgültiger Dinge in einer Spalte zu berichten, die sie mit der
Äberschrift „Aus der Gesellschaft" versehen. Zuweilen wählen sie auch
die wunderschönen Bezeichnungen „Aus dem üi§ti IILe" oder „Von
der baute voles" (letztere ist freilich veraltet), bei denen den Philister
ein Schauer mißgünstiger Bewunderung überläuft.

Da steht denn zu lesen, daß die Frau Präsidentin von Rmann
gestern eine große Abendgesellschaft in den schönen Näumen ihrer
Villa auf der Dingsdastraße gab, zu der die „Spitzen der Gesell«
schaft" geladen waren. „Die Dame des tzauses, dre eine flieder-
farbene Atlasrobe trug (eine »Nobe« muß dabei sein), machte, von
ihren lieblichen Töchtern unterstützt, in reizender Weise die tzonneurs."
Das „farbenprächtige Bild der duftigen Toiletten, der glänzenden
Aniformen, unter die sich die besternten Fracks mischten. . Oder
auch: man erfährt, daß Ihre Durchlaucht, die Frau Fürstin von
Astein-Beheim-Gberg das „Galanteriewaren"-GeschäfL von Piefke und
Lehmann besuchte und „daselbst" „namhafte Einkäufe" „bewirkte".
Lin andermal wird man davon unterrichtet, daß sich die „Gesellschaft"
trotz des schlechten Wetters zum Frühjahrseröffnungsrennen zahlreich
eingefunden hatte. Man bemerkte Seine Exzellenz den tzerrn Ober-
stallmeister Grafen von Ixhausen, den bekannten Rennstallbesitzer
Geheimen Kommerzienrat Geldbach, den tzerrn Polizeipräsidenten von
Schulze und andere „distinguierte Freunde des Sports^.

Wer oder was ist nun diese „Gesellschaft" ? Wir müssen trotz
unsrer Proben zugeben, daß es nach diesem — mit Verlaub zu sagen:
Ouatsch schwer ist, herauszufinden, welches Band die Einzelwesen
umschlingt und aus ihnen eine Gesellschaft macht.

Anter einer „Gesellschaft^ denke wenigstens ich mir eine Mehr-
zahl von „Gesellen", die sich um einer Sache willen, die sie ge-
meinsam besitzen oder erstreben, zueinander „gesellt" haben und sich
dieser Gemeinschaft bewußt sind. Es ist mir trotz eifrigen Bemühens
nicht gelungen, Merkmale dafür an dem tzaufen ähnlich gekleideter
Menschen zu entdecken, dem heute diese Bezeichnung beigelegt wird.

Bezeichnend ist schon, daß viele, die mit besonderer Vorliebe in
der bewußten Nubrik des Lokalen aufgeführt werden, oft baß darüber
erstaunt sind, mit wem sie zu dem Begriff „Gesellschaft" zusammew-
gefaßt werden. Gar häusig werden da in einer Zeile zwei Bamen
genannt, deren glückliche Besitzer sich jeder selbst in der Rubrik
sehr am Platze finden, während jeder dem andern die Zugehörig-
keit zur „Gesellschaft" entschieden bestreitet.

Von den zuständigen Berichterstattern aber werden zur Gesellschaft
gerechnet:

Zunächst alle Adeligen, soweit sie nicht irgendwo aus dem Rahmen
der „Kaste" Herausgetreten sind; dann alle Offiziere, vom Gardedukorps

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