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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

DOI issue:
Heft 18 (2. Juniheft 1913)
DOI article:
Corbach, Otto: Köpenickiaden im modernen Erwerbsleben
DOI article:
Wolff-Küentzle, Irma: Die wirtschaftsästhetische Erziehung der Frau
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0470

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Auffassung, daß im heutigen Erwerbsleben jedem Lüchtigen der Weg
zum Erfolge offen stehe, da die Leiter großer Betriebe förmlich auf der
Lauer lägen, um Talente zu entdecken, denn an denen fehle es ihnen
immer. Vielleicht ist das in Amerika so, bei uns kann davon nicht die
Rede sein. Im Erwerbsleben dehnen sich fast nur die stagnierenden
Sümpfe aus. Die Talente in den verschiedenen Berufen, die einst
ganz in dem damals aussichtsvollen Bestreben aufgingen, auf einen
selbständigen, verantwortungsvollen Posten zu kommen, wenn nicht sich
völlig auf eigene Füße zu stellen, sie werden heute politische Agitatoren
und organisieren vielleicht aus Langerweile abhängige Arbeitskräfte für
irgendwis revolutionäre Zwecke. Der übermäßige Zudrang zu allen
bureaukratischen, akademischen und künstlerischen Laufbahnen erklärt sich
zugleich in derselben Weise als Folge einer weit ausgedehnten Ent--
geistigung des Erwerbslebens. Selbstverständlich gilt all das nur vom
Durchschnitt, aber daß es überhaupt möglich ist ohne schnell folgen-
den Zusammenbruch, das ist als Zeichen der Zeit interessant.

OtLo Lorbach

Die wirtschaftsästhetische Erziehung der Frau

^s^o langs wir zur Pflege des persönlichen Lebens, also auch einer
((^^persönlichen Kultur, am Einzelhaushalte festhalten, so lange brauchen
^^^wir für die Frau eine gewisse Sonderbildung. Sie muß befähigt
werden, ihre Aufgaben im Haushalt, die im einzelnen freilich von
der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht abhängig sind,
zu erfüllen. Der Einzelhaushalt Lritt uns in der Gegenwart in den ver--
schiedensten Gestalten, als Arbeiter-, BeamLen-, Rentnerhaushalt usw.
entgegen. Er hat auch in der Vergangenheit eine lange Entwicklung
hinter sich. Diese verschiedenen Formen bedingen eine verschieden ge--
artete Lätigkeit der Frau im Hause.

Wenn wir nun eine praktisch-ästhetische Erziehung für die Frau der
Gegenwart fordern, so müssen wir zuvor die Bedeutung und den Amfang
der Frauenarbeit im Hause erkennen, und zwar sowohl den Wechsel der
Frauentätigkeit im Wandel der Zeiten, wie deren Bedeutung für das
Kulturleben.

Auf der nach Karl Büchers A.ntersuchungen ältesten Wirtschaftsstufe,
in der Zeit des tzauswerkes, des Hausfleißes, war die Frau die alleinige
Produzentin fürs Haus, nur an manchen Orten waren ihr noch Sklaven
zur Hilfe beigegeben. Der freie Mann betrachtete nur die Iagd und den
Krieg als seine berufliche Wtigkeit. Auch als er später manche häus-
liche Arbeit der Frau abnahm, behielt sie einen bedeutenden Einfluß
auf das Wirtschaftsleben und seine gewerbliche Gütererzeugung. Als
Kundin stand sie auf der zweiten Wirtschaftsstufe, der Stadtwirtschaft,
in ständigem Verkehr mit dem Handwerker oder dem Lohnarbeiter. Sie
war Bestellerin, wo sie nicht selbst produzierte. And es lag in der
Natur der wirtschaftlichen Form des Bestellens, daß die Form des
Gebrauchsgutes durch sie mitbestimmt wurde. In unsrer heutigen Wirt«
schaftsform, im Zeitalter des Großbetriebes, des modernen Kapitalismus,
kann die Frau nicht mehr die alleinige Produzentin fürs Haus sein
wollen. Die Selbstproduktion hat unter dem Drucke des technischen und

! 2. Iuniheft 392

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